Der Duft des Anderen
sollte.
Während Robert dies schweigend tat, machte sich Barbara in der Küche an der Kaffeemaschine zu schaffen. »Ist was Wichtiges?«, rief sie.
Robert Grünwaldt, Ende dreißig, hielt sich für gut aussehend, und viele Frauen waren der gleichen Meinung. Sein etwas schütteres Haar wurde durch seine markanten Gesichtszüge wettgemacht, sein leichter Bauchansatz war eigentlich kaum zu sehen und fiel bei seiner Größe von einsneunundachtzig überhaupt nicht ins Gewicht. Robert Grünwaldt war in der Tat ein attraktiver Mann, aber vor allen Dingen war er ein Mann mit Intellekt, Kunstverständnis und Esprit, und ein aufgeschlossener Mensch sah auf die inneren Werte.
Bei Barbara schätzte er mehr die äußeren, schließlich war sie eine Frau. Obwohl er manchmal daran zweifelte, wenn er ihr vollgestopftes Wohnzimmer betrachtete. Schlampe – den Ausdruck fand er zu hart für die Frau, die er liebte, aber liebenswerte Chaotin wäre geschmeichelt. Neben Ikearegalen voller Bücher fanden sich aufgemöbelte Stühle vom Flohmarkt, zwei auf arabisch gemachte Sitzkissen aus Kunstleder, ein offensichtlich vor zwanzig Jahren ausrangierter fleckiger Schreibtisch, auf dem aus einem Wust von Papier und schmutzigen Tassen das graue Gehäuse eines verstaubten Computers herausragte. Die Farbe ihrer Wände war nur zu ahnen, alles war zugehängt mit ihren Bildern, dazwischen ein Poster vom Jüngsten Gericht der Sixtinischen Kapelle und ein ägyptisches Motiv auf Papyrus aus dem Warenhaus. Museum war nicht die richtige Bezeichnung für ihre Behausung, ein Museum war aufgeräumt.
Barbaras Bilder waren gut, aber so furchtbar spießig, fand Robert. Blumenbilder, Stillleben, eine Berglandschaft, ein Kinderporträt.
Fehlt nur noch die Zigeunerin
, dachte er. Aber er hatte von Barbara noch nie ein Frauenporträt gesehen.
Sie verschwendet ihr Talent
, dachte er,
oder ob sie oben auf dem Boden, auf den sie mich niemals hinauflässt, ihre wahren Meisterwerke verbirgt? Unsinn!,
verbesserte er sich
. Weshalb sollte sie das tun? Etwa, um nach ihrem Tode berühmt zu werden und mit ihrem Nachlass etwaigen Erben zu einem lustigen Leben zu verhelfen? Und welchen Erben?
Soviel er wusste, hatte sie keine Verwandten. Er wusste lediglich, dass Barbara es nicht nötig hatte, von ihren Bildern zu leben. Sie hatte zwei Mietshäuser in guter Lage geerbt.
»Ich hätte einen Auftrag für dich«, beantwortete er ihre Frage.
Barbara kam mit zwei Kaffeetassen herein. »Nichts Abstraktes und möglichst keine Frauen.«
»Nichts dergleichen. Ich kenne dich doch, obwohl du wirklich manchmal …«
»Robert!« Barbara schob ihm die Tasse hin und zog sich ein Sitzkissen an den Tisch. »Ich male, was mir Spaß macht und nicht, was der Zeitgeist fordert. Der ist mir schnuppe. Und einer Menge Leute ebenfalls, die nämlich meine Bilder kaufen.«
»Spießer, Barbara, leider alles Spießer.«
Du meine Güte
, dachte Barbara.
Er hält sich selbst für progressiv, weil er in seiner Galerie des Kaisers neue Kleider ausstellt. Seine Besucher würden auch noch andächtig vor meinem Malerkittel stehen, wenn er gerahmt wäre.
»Wie definierst du ›Spießer‹, lieber Robert?«
»Gar nicht. Mit dir lasse ich mich doch nicht auf diese Diskussion ein. Dimitri, der Grieche bei mir um die Ecke, möchte sein Restaurant ausgemalt haben.«
»Was? Ich als weiblicher Michelangelo? Na, ich bin geschmeichelt, aber findest du das nicht ein bisschen grotesk? Was zahlt Dimitri?«
Robert rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Musst du mit ihm ausmachen, aber es trifft keinen Armen. Ich dachte an dich, weil du da nackte, griechische Jünglinge malen kannst.«
Barbara verzog keine Miene. »Ich überlege es mir. War das alles?«
»Nein, war es nicht«, erwiderte Robert beleidigt, »das hätte ich dir auch am Telefon sagen können.«
»Das hättest du auch tun sollen, Robert. Ich mag es nicht, wenn du unangemeldet hier aufkreuzt.«
Robert hätte gern ihre Hand ergriffen, aber sie saß zu weit weg. »Du ziehst dich immer mehr zurück in deine Welt hier draußen. Ich mache mir Sorgen um dich, bald wirst du wunderlich werden.«
Barbara schlug ihre Beine übereinander, sie wollte nur bequemer sitzen bei diesem Vorwurf, aber auf Robert wirkte es aufreizend. »Du bist mein bester Agent, Robert, obwohl du manchmal so scheußliche Bilder ausstellst. Aber meine Lebensführung geht dich nichts an, verstanden?«
»Du weißt genau, dass ich mehr sein möchte als nur dein Agent«, erwiderte
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