Der Duft des Anderen
Robert Grünwaldt eindringlich. »Du gehst nie aus, sitzt immer nur da oben unterm Dach und malst und hörst Opern. Wie eine alte Jungfer! Du brauchst einen Freund, sonst vereinsamst du.«
»Du meinst, ich brauche einen Liebhaber?«, fragte sie spitz.
Robert wich ihrem Blick nicht aus. »Wenn du es hören willst: ja. Es ist nicht normal, dass eine so hübsche, junge Frau immer allein ist.«
»Vielleicht bin ich lesbisch?«
»Quatsch!« Robert zögerte, starrte sie an, dann lachte er kurz. »Nein, bist du nicht. Sonst würdest du Frauen malen.«
»Gut beobachtet.« Barbara erhob sich und nahm seine Kaffeetasse mit. »Vielleicht brauche ich einen Liebhaber.« Sie ging zur Küche und lachte leise. »Aber keinen, der fünfzehn Jahre älter ist als ich!«
Das saß. »Ich bin doch noch kein alter Mann!«, brauste Robert auf.
»Für mich schon«, kam es aus der Küche. »Oder würdest du eine fünfzehn Jahre ältere Frau wollen?«
»Das ist doch …« Robert hütete sich, diesen Satz zu Ende zu sprechen. »Du machst dich über mich lustig, stimmt’s?«
»Weißt du was?«, sagte Barbara und kam an einem Knäcke kauend aus der Küche. »Du kannst mich bei Dimitri zum Essen einladen, und bei dieser Gelegenheit schaue ich mich mal bei ihm um. War nett von dir, dass du an mich gedacht hast.«
***
Dimitri fand ihre griechischen Götter zu weibisch und wollte um jeden Preis eine Insel mit weißen Häusern am blauen Meer. Mit einem Familienvater und einer rundlichen Anastasia in der Küche wollte Barbara die Feinheiten der griechischen Liebe gar nicht erst diskutieren. Für tausendfünfhundert hatte sie zugesagt.
Dimitri war so zufrieden gewesen, dass er nicht nur die tausendfünfhundert gezahlt, sondern ein Essen spendiert hatte, wozu Barbara ihre einzige Freundin Monika eingeladen hatte. Kennen gelernt hatten sie sich auf einer Vernissage, die Monika nichts sagte und Barbara zu abgehoben fand. Beide langweilten sich entsetzlich, und Sekt mochte auch keine von ihnen. Während Monikas Ehemann, ein gut aussehender Blonder, wie Barbara von Weitem festgestellt hatte, angeregt mit Herrn Grünwaldt disputierte, hatte Monika grinsend bemerkt, ihr Joachim verstünde von Malerei überhaupt nichts, er spreize sich heute nur deshalb so, um seiner Mutter zu imponieren. Das hatte das Eis gebrochen.
Monika war freundlich und sehr weiblich. Manchmal hatte Barbara das Gefühl, dass sie sich Monika hielt wie ein Haustier; sie schrieb Liebesromane, und natürlich hatte sie noch keinen Verleger gefunden. Aber sie gab nicht auf.
Sie saßen bei Lammkoteletts und Souflaki, und nachdem Monika Barbaras Malerei begutachtet und bewundert hatte, sprachen sie über Monikas Buch »Der Duft des Fremden.« Ein Märchenprinz tritt plötzlich in das Leben eines Mauerblümchens. Obwohl Barbara Monikas Geschichten furchtbar trivial fand, erkannte sie plötzlich Zusammenhänge. Eingeatmeter Duft fremder Männer in einem Café, wo Männer hingingen, die andere Männer liebten.
»Wie findest du es? Blöde, was?«, unterbrach Monika sie in ihren Gedanken.
»Blöde nicht, nein, aber eben ein Liebesroman«, meinte Barbara. Ein dummer Gedanke durchzuckte sie. Sollte Monika hier ihr eigenes Leben zu Papier gebracht haben? Sie war nicht eben ein Mauerblümchen, aber zu jenem großen Silberblonden auf der Vernissage passte eher eine –? Nein! Barbara ärgerte sich, weil sie immer noch im Klischeedenken verhaftet war. Zu ihm passte weder eine Diva noch eine junge Naive, zu ihm passte ein wunderbarer Mann. Natürlich konnte sie das Monika nicht sagen. Sicher war ihre Ehe sehr harmonisch, Monika bot eine Menge Weiblichkeit, und hausfrauliche Fähigkeiten hatte sie auch. Barbara wusste, dass Monika außer einer Putzfrau keine Dienstboten beschäftigte. Nur von diesem fabelhaften Ehemann sprach sie kaum, schon merkwürdig.
»Was hast du gegen Liebesromane, wenn sie gut geschrieben sind?«, fragte Monika.
»Liebesromane müssen einfach verlogen sein, weil Männer und Frauen nicht zusammenpassen.«
»Was für ein Unsinn! Wenn du recht hättest, wären wir schon längst ausgestorben.«
Barbara lächelte milde. »Zwischen den Beinen mögen sie ja zueinanderpassen wie Schlüssel und Schloss, aber wir sprachen nicht von der Fortpflanzung des Menschengeschlechts, sondern von Liebesromanen.«
»Na und?«
»Sex, liebste Monika, ist keine Liebe und bei Männern schon gar nicht. Männer verachten die Frau, die sie kurz zuvor noch beleckt, besabbert und besamt
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