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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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haben. In dem Augenblick, wo sie sich von ihr wegdrehen, schweifen ihre Sinne bereits ab und tummeln sich in Männerwelten, zu denen Frauen keinen Zugang haben. Verdammt! Sie sollten auch ihre Schwänze dahin stecken, wo ihre Herzen sind!«
    Monika drehte sich erschrocken um und wischte sich umständlich mit der Serviette den Mund ab, um ihre verlegene Röte zu verbergen. »Aber Barbara!«, flüsterte sie. »Wie du redest! Und dann auch noch so laut.«
    »Findest du?« Barbara nagte den Knochen ihres Lammkoteletts ab und ließ ihre Blicke schweifen. »Hat keiner gehört.«
    »Du siehst einfach zu gut aus und kannst jeden haben, deshalb sagst du so etwas.« Monika kicherte. »Ich glaube, du brauchst einen richtigen Macho.«
    Du hältst mich für eine Emanze
, dachte Barbara.
Wenn du wüsstest, Mädchen, wie sehr du dich irrst. Emanzen sind mit anderen Frauen solidarisch, das bin ich nicht.
Barbara zauberte ein weiches Lächeln in ihr Gesicht, weil sie wusste, dass solche Gedanken ihre Züge hart machten. Monika, dieses plüschige Stofftier, brauchte nicht einmal zu ahnen, welche Sehnsüchte Barbara hegte. Das sind nur deine Hormone, lass dir doch ein paar Hormone verschreiben, würde sie sagen.
    »Da du gerade von Machos sprichst«, lenkte Barbara das Gespräch in eine andere Richtung, »Robert war bei mir. Er ist besorgt um mich, ich könnte vereinsamen. Dieser Heuchler! Wäre ich unscheinbar, er wäre nicht im Geringsten um mich besorgt.«
    »Du tust ja gerade so, als sei es ein Verbrechen, wenn Männer sich in schöne Frauen vergucken.« Monika schüttelte ärgerlich den Kopf. »Dass du ihm das vorwirfst, ist lächerlich.«
    Barbara kaute auf ihrer Unterlippe. Was sollte sie Monika antworten?
Ich mag mich nicht, weil ich eine Frau bin, und ich mag Robert nicht, weil er auf Frauen steht? Ich mag uns beide nicht, weil wir so sind, wie wir sind? Das wäre wirklich lächerlich.
    Ich bin lächerlich. Ja! Meine Bilder, meine Argumente, mein Verhalten, alles zum Totlachen, reif für die Zwangsjacke.
    Natürlich kannte Barbara den wissenschaftlichen Ausdruck für Menschen wie sie: transsexuell. Manche ließen ihren Körper verstümmeln, um ihr Äußeres der Psyche anzugleichen. Barbara hatte dafür nichts übrig. Einen künstlich geformten Penis fand sie grotesk, Hormone, die ihrer Männlichkeit nachhalfen, widernatürlich. Sie wollte kein Zerrbild eines Mannes sein, keine misslungene Kopie aus der Hand eines Chirurgen. Dann lieber eine Frau mit unerfüllten Träumen. Und in diesen Träumen war sie ein hinreißender Jüngling, den andere Männer anbeteten.
    Barbara nickte. »Du hast recht. Robert ist kein schlechter Kerl, aber ich will einen Geschäftspartner, keinen Liebhaber. Egal. Erzähle mir mehr von deinem Buch.«
    Ein Herr in mittleren Jahren, Rollkragenpullover, Weste, schwarze Jeans, der am Fenster gesessen hatte, näherte sich ihrem Tisch. Barbara sah ihn an, und der Herr lächelte etwas verklemmt. »Entschuldigen Sie, aber haben wir uns nicht schon einmal gesehen?«
    Barbara stieg das Blut in die Stirn, und Monika wunderte sich, dass ihre Freundin vor diesem eher unscheinbaren Mann errötete. »Das ist keine sehr originelle Anmache«, gab Barbara kühl zurück.
    »Bitte – verstehen Sie mich nicht falsch.« Der Mann führte die Finger seiner rechten Hand etwas geziert zum Kinn. »Sie erinnern mich nämlich an einen jungen Mann.«
    Barbara räusperte sich laut, um den Kloß im Hals zu überwinden. »So?« Ihre Altstimme klang merkwürdig schrill. »Das ist allerdings mal etwas anderes.«
    Der Mann trat einen Schritt zurück. »Tut mir leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Es ist nur – diese Ähnlichkeit. Haben Sie vielleicht einen Bruder?«
    Er muss mich im ›Cosima‹ gesehen haben
, überlegte Barbara.
Na wenn schon, viele Leute sehen sich ähnlich.
»Ich habe keinen Bruder«, gab sie kühl zurück. »Tut mir leid, wenn ich Ihnen mit dem richtigen Geschlecht nicht dienen kann.«
    Der Mann wischte verlegen durch die Luft. »Bitte verzeihen Sie die Störung.«
    Monika sah ihm nach. »Den hast du ganz schön angefahren, dabei war er doch ganz höflich. Wieso warst du denn so zickig?«
    »Der war schwul, hast du das nicht gemerkt?«
    »Meinst du?« Monika drehte sich noch einmal nach ihm um. »Was du alles merkst. Ich würde diese Menschen überhaupt nicht erkennen. Hast du Kontakt zu solchen Kreisen?«
    »Blödsinn, wie kommst du denn darauf?« Barbara riss nervös ein Stück von dem Fladenbrot ab,

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