Der Duft des Anderen
Das kann nicht sein! Und Jan versuchte ihr vorsichtig beizubringen, dass solche Dinge in dieser Welt nur ein Bruchteil dessen ausmachten, was geschah und oft auch geschehen musste.
Sie schmiegte sich an ihn, während Jan ihr auch von einer besseren Welt erzählte. Von den Dingen, die zwei Seiten hatten. Er schilderte ihr Joachims und Alexanders Verhältnis wie einen bunten Strauß, gebunden aus Träumen, Sehnsüchten und Liebe, einer starken und aufrichtigen Liebe. Er führte Monika vor Augen, wie alles, was Barbara getan hatte, aus unerfüllter Liebe und unerfüllten Sehnsüchten geschah, und er erzählte von seiner tiefen Freundschaft zu Barbara, die mit ihrem Tod nicht beendet war.
Stunden hatten sie so gesessen, Monika hatte Jan zugehört, und am Ende war sie immer leiser geworden, hatte nichts mehr gefragt, seine Worte nur noch in sich einsinken lassen, bis sie langsam verstand. Und dann weinte sie. Jan nahm sie in den Arm, und sie klammerte sich an ihn. Was, wenn er sie verließ? Oh, das durfte er nicht tun!
Und Jan räusperte sich und fragte: »Willst du mich heiraten, Monika?«
***
Wochen später machte der Fall keine Schlagzeilen mehr. Jan und Monika saßen bei Maria Matuschek auf dem Sofa. Er hatte seiner Mutter Monika als die Frau vorgestellt, die er heiraten wollte, und sie gefiel Maria gut. Dass Monika vermögend war, wusste sie nicht; Jans geheimnisvolle Andeutungen von einem gemeinsamen Haus im Grünen, vielleicht sogar an einem See, wo sie eine wunderschöne Dachwohnung bekäme, tat sie als Spinnereien junger Leute ab. Jan hatte ihr eine Kaffeemaschine geschenkt, aber, überlegte sie, die beiden jungen Eheleute könnten sie wohl besser gebrauchen.
Jan hatte den kleinen Artikel auf der fünften Seite entdeckt. Man hatte die Tote inzwischen als Barbara Waszcynski identifiziert. Anhand der Fingerspuren kam sie auch für den Mord an Frank S. in Betracht, außerdem hatte man auf ihrem Grundstück die Leiche des vermissten Stephan F. gefunden. Von Alexander Kirch und Joachim von Stein fehlte immer noch jede Spur.
»Was machst du denn für ein Gesicht, Jan?«, fragte seine Mutter.
»Ach nichts, Hertha BSC hat wieder mal gegen HSV verloren, so ’n Mist. – Reich mir doch bitte mal die Sahne rüber, Monika.«
Am nächsten Tag holte Jan den Briefumschlag mit dem allerersten Zeitungsartikel hervor, steckte noch einen Brief hinein, frankierte ihn als Luftpost nach Brasilien und warf ihn in den Kasten.
38
Das Hotel ›Miramare‹ breitete sein luxuriöses Ambiente vor einer unbezahlbaren Kulisse aus: Palmen, weißer Strand, tiefblaues Meer, und am Horizont ragte aus bewaldeten Hügeln der Zuckerhut.
Alexander, braun gebrannt wie ein Einheimischer, und Joachim, etwas heller, mit verführerischem Goldton, lagen am Swimmingpool. Sie waren aus beruflichen Gründen hier. Das Hotel diente als Kulisse für ihren ersten richtigen Film. Es sollte ein Softporno werden, an Darstellern war kein Mangel. ›Braune Jungs am Zuckerhut‹ hatte Joachim als Titel vorgeschlagen, worauf Alexander ihm sagte, als Titelvorschläger sei er entlassen. Er solle sich lieber als Hauptdarsteller bewerben.
Es war gerade Drehpause, und Joachim nutzte die Zeit, den Brief zu lesen, den Jan ihm geschrieben hatte.
»Jan schreibt, sie haben die Frau identifiziert«, sagte Joachim. »Sie hat sich doch tatsächlich in deinem Apartment umgebracht.«
»Auch Frauen haben manchmal gute Einfälle«, bemerkte Alexander herzlos. »Wer ist sie denn?«
»Eine gewisse Barbara Waszcynski, Malerin. Du, irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, aber im Moment kann ich ihn nirgendwo hintun.«
»Ich habe den Namen nie gehört«, erwiderte Alexander träge. »Was schreibt er noch, der Herr Bruder? Wie ist das Wetter in Berlin?«
»Man sucht immer noch nach uns. Und ja, ich soll ihm meine Einwilligung zur Scheidung schicken. Er will Monika heiraten.«
»Mein Beileid«, gähnte Alexander und nippte von seinem Longdrink. »Sonst nichts?«
»Warte, er hat noch einen Zeitungsausschnitt beigelegt. Soll ich ihn dir vorlesen?« Jan wartete Alexanders Antwort nicht ab und las: »… Gestern Mittag wurde der Atomphysiker Professor Alexander Kirch tot in seiner Wohnung aufgefunden …« Alexanders Gesicht färbte sich dunkelrot, »… laut Aussage seines langjährigen Mitarbeiters, der den Toten fand …« – »das war dein famoser Bruder!«, schnaubte Alexander – »… war es dem Professor gelungen, seine weibliche Identität vor allen geheim zu
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