Der Duft des Anderen
begeistert. »Ist das die Überraschung?«
»Aber nein!« Der Korken löste sich mit einem schmatzenden Laut. »Worum es sich handelt, erzähle ich dir beim Essen.«
***
Alfonso, der Wirt, begrüßte sie mit einem überschwänglichen Händedruck. »Bouna sera, amici!« Er führte das Paar an einen Tisch im Hintergrund des Restaurants, der tagsüber einen Blick auf das Wasser eines Fleets bot. Jetzt konnte man nur die sich spiegelnden Lichter der Gaststätte erkennen. Monika setzte sich trotzdem so, dass sie aus dem Fenster schauen konnte. Alfonso zündete die Kerze an, die auf dem Tisch stand, ein junger Kellner eilte herbei und brachte die Speisekarten.
Monika strahlte Alfonso gut gelaunt an, der junge Kellner wurde rot, weil er glaubte, das Strahlen gelte ihm, und Alfonso winkte ihn ärgerlich fort. »Sie waren lange nicht bei uns«, säuselte er.
»Viel Arbeit, Sie kennen das ja«, seufzte Joachim, und Monika nickte, während sie die Speisekarte studierte.
Sie nahmen beide Scampis im Steintopf, Joachim mit Knoblauch, Monika mochte kein Knoblauch, doch aus Vernunftgründen schloss sie sich an. Sie entschieden sich für einen trockenen Weißwein. Als Aperitif brachte Alfonso zwei Martinis.
Monika hob ihr Glas und lächelte Joachim zu. »Jetzt mal raus mit der Sprache! Haben sie deinen arroganten Professor endlich rausgeschmissen?«
»Alexander?« Joachim war sichtlich überrascht.
Monika lachte. »Ja, euren Dompfaff. Sag mal, seit wann nennst du ihn beim Vornamen?«
»Ich duze mich mit vielen in der Firma, schon immer.« Joachim rückte seine Krawatte zurecht und lächelte flüchtig.
»Stimmt gar nicht«, stellte Monika fest, »Letztens beschwertest du dich noch über die ständige Duzerei bei euch im Büro. Ich weiß noch ganz genau, als du sagtest …«
»Ist das ein Verhör?«, unterbrach Joachim freundlich.
»Entschuldige, aber dieser Schnösel Kirch …«
»Besagter Schnösel hat mich für eine Reise vorgesehen.«
»Russland?«, platzte Monika heraus.
»Du weißt wohl alles?«
»Das internationale Komitee für Strahlenschutz? Das stand doch in der Zeitung. Erst letzte Woche war ein langer Artikel darüber im SPIEGEL. Russland will seine Altlasten loswerden.« Monika packte Joachims Hand. »Und du bist dabei? Großartig!« Sie strahlte wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum, und Joachim senkte den Blick.
»Ja, ich bin dabei. Alexander schickt mich als Gutachter hin. Das – ist eine große Chance für meine Laufbahn.«
»Das weiß ich doch.« Monika drückte Joachims Hände. Sie sah seine Verlegenheit und hoffte, dass ihn das Gleiche bedrückte wie sie. Joachim würde dann noch weniger Zeit für sie haben. Aber sie verdrängte diesen Gedanken. »Wann fährst du?«
»Am 15. Juni fliegen wir erst mal nach Moskau.«
»Am 15. Juni?«, wiederholte Monika. Sie krauste die Stirn. Irgendetwas an diesem Termin war nicht in Ordnung. Richtig! Die Reise nach Sardinien, bereits im Januar gebucht, ein Teil schon angezahlt. Monika biss sich auf die Unterlippe. Sollte sie die Reise erwähnen oder sie souverän abblasen, als sei ein halbes Jahr Vorfreude nichts als ein Zahnarzttermin?
Joachims Gesicht war glatt, harmlos und freundlich, das ärgerte sie. »Und Sardinien?«, fragte sie trotzig.
»Sardinien?« Joachim erschrak, Sardinien hatte er total vergessen. Er lächelte verkrampft. »Tja, Sardinien.« Er sah sich nach dem Ober um. »Ich habe Alexander natürlich gleich darauf hingewiesen, aber Liebling – leider! Das Komitee richtet sich nicht nach unseren Urlaubsplänen.«
»Das scheint dich aber nicht sehr traurig zu machen«, fauchte sie.
»Hör mal, Monika, du weißt, dass innerhalb eines halben Jahres immer etwas dazwischenkommen kann. Buche doch einfach auf August um.«
»Und was ist es im August? Ein Ausflug nach Tschernobyl, eine Konferenz in Delhi oder Wochenendarbeit in Geesthacht?«
Joachim seufzte. Die Scampis kamen, und Joachim ruhte sich eine Weile auf seinem Seufzer aus. »Sieh mal, Monika …«
»Sag nicht, sieh mal Monika!«, giftete sie und würdigte Alfonso keines Blickes. »Mit diesen Worten leitest du schon seit unserer Hochzeitsnacht deine Beschwichtigungen ein.«
Alfonso servierte, keiner bedankte sich, und er zog beleidigt ab. »Dieses »sieh mal, Monika«, ist inzwischen geradezu beleidigend«, fuhr sie fort, packte die Gabel und stach sie wütend in eine Garnele.
»Ja, aber …«
»Aber, aber! Sagst du auch: sieh mal, Alexander, ich habe eine Frau, mit der habe
Weitere Kostenlose Bücher