Der Duft des Apfelgartens
auszuziehen oder irgendwelche Objekte zu kaufen, und sie sitzt am längeren Hebel. Nach Mummys Tod ist Kitty jetzt eine reiche Frau.
Er greift nach seinem Glas und trinkt nachdenklich. Wenn sie sich trennen, hat sie ein Anrecht auf die Hälfte seines Besitzes und seines Einkommens – aber genauso steht ihm die Hälfte ihres Besitzes zu. Rupert denkt darüber nach: Es ist so ziemlich gehüpft wie gesprungen. Keiner von ihnen wird einen finanziellen Verlust erleiden, doch er ist zornig und fühlt sich ungerecht behandelt. Schließlich ist nicht viel passiert. Und trotzdem gibt Kitty nur zu gern ihre Ehe auf, ohne auch nur in Betracht zu ziehen, dass er unschuldig sein könnte. Wegen der Bemerkung, die Dossie fallen gelassen hat, ist sie bereit, alles zu zerstören.
Rupert denkt über Dossie nach. Sie hat ihm eine wütende SMS geschickt, auf die er nicht geantwortet hat. Er nimmt sie ihr nicht übel, aber während der letzten paar Tage hat er sich einzureden versucht, dass sie ihm vielleicht, ganz vielleicht vergeben wird. Wenn er ehrlich ist, weiß er tief im Herzen, dass Dossie vollkommen mit ihm fertig ist, doch bis jetzt hat er sich dieser Erkenntnis nicht gestellt. Selbst wenn es Kitty wirklich ernst ist – und das kann er immer noch nicht ganz glauben –, weiß er, dass er keine Zukunft mit Dossie hat.
Er trinkt das Bier aus. Plötzlich sind ihm beide Frauen herzlich gleichgültig. Er hat Besitz und Geld und kann sich ein neues, aufregendes Projekt suchen, etwas, an dem er arbeiten und in das er seinen ganzen Verstand und seine Energie stecken kann. Rupert stellt sich seine Zukunft in Bristol vor – so er denn eine hat: Für seinen kleinen Ausrutscher wird er in alle Ewigkeit zahlen müssen, indem er Kitty kleinlaut zu ihren Partys und Treffen im Bridgeclub begleitet und sich von Sally und Bill von oben herab behandeln lässt. Kitty wird Wiedergutmachung verlangen, und ihm schaudert angesichts des Preises, den er wird bezahlen müssen.
Wenn Kittys Vater nicht so plötzlich gestorben wäre und wenn sie im letzten Jahr nicht so oft getrennt gewesen wären, wäre vielleicht nichts von alldem passiert. Dieser unschöne Streit und die Wochenenden, die sie mit Gezänk darüber verschwendet haben, ob er seine Arbeit aufgeben und in die Wohnung ziehen soll, haben ihre Beziehung geschwächt. Die räumliche Entfernung hat die Risse in ihrer Beziehung aufgezeigt. Kitty sind das Großstadtleben und ihre Freunde wichtiger als ihre Ehe. Falls sie jemals eine Chance hatten, einen Kompromiss zu finden, dann ist sie jetzt dahin, und er weiß, dass Kitty ihr gemeinsames Leben von früher nie wieder aufnehmen wird.
Was ihn angeht, so ist er sich sicher, dass er nicht ohne geistige Herausforderungen, ohne Arbeit oder eine Struktur in seinem Tag leben kann – und ganz besonders nicht in einer Stadt. Er erinnert sich daran, wie erleichtert er jedes Mal war, wenn er in das Ferienhaus zurückgekehrt ist, an seine Zufriedenheit am Ende eines produktiven Tages. Sie stecken eindeutig in einer Pattsituation.
Unerwartet überfällt ihn eine schreckliche Traurigkeit. Er denkt an Dossie, an ihre großzügige, liebevolle Art, das Leben zu leben, und daran, wie er sie bei Kitty herabgesetzt hat, um sich selbst zu schützen. Er erinnert sich an Kitty, seine aufregende, enthusiastische Gefährtin der ersten Ehejahre – wie glücklich sie waren! –, und daran, wie er sie bei Dossie unausgesprochen verleugnet hat. Jetzt hat er sie beide verloren.
Rupert stellt sein leeres Glas ab. Sein Zorn ist verflogen, und er fühlt sich klein, beschämt und sehr einsam.
In ihrem Zimmer packt Schwester Emily Weihnachtsgeschenke ein. Das ganze Jahr über schlägt sich die Großzügigkeit der Gäste und Freunde Chi-Meurs in Geschenken nieder. Manche schicken praktische Gegenstände, von denen sie wissen, dass die Schwestern Freude daran haben, sie zu gebrauchen: Päckchen mit hübschen Ansichts- und Postkarten, parfümierte Seifen, Füllhalter und Bleistifte, warme Strümpfe. Die Schwestern teilen sich diese Gaben, indem sie den Inhalt eines jeden Pakets auf dem Tisch in der Bibliothek auslegen und jede von ihnen – abhängig davon, wie groß die Spende ist – einen oder zwei Gegenstände an sich nimmt, die sie benutzen oder aufbewahren wird, um sie selbst zu verschenken. Die Schwestern bekommen natürlich auch private Weihnachtsgeschenke, deren Einpackpapier sorgfältig abgelöst und glatt gestrichen wird. Klebebandreste werden ordentlich
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