Der Duft des Apfelgartens
kaum sichtbare Mondsichel hängt tief am Himmel, und das Licht des Sonnenuntergangs verblasst zusehends. Die Hunde wuseln, die Nasen an den harten, gefrorenen Boden geheftet, vor ihnen her. Ihre Pfoten knirschen in dem dicken Reif unter den kahlen Dornenhecken, in denen kleine Vögel sitzen und nervös zwitschern.
»Wenigstens«, meint Pa, »kann sie sich jetzt konzentrieren. Die letzten paar Wochen war sie ja mit dem Kopf in den Wolken. Arme alte Doss.«
Mo tut Dossies Unglück im Herzen weh. Sie schiebt die Hand unter Pas Arm, als suchte sie Trost in seiner Wärme.
»Sie kommt darüber hinweg«, prophezeit er. »Das ist sie bisher jedes Mal. Gott sei Dank, dass ich mich wegen des Court so entschieden habe. Sie hat ein Zuhause, Mo, und sie hat uns gesagt, wie sehr sie sich darauf freut, etwas anderes anzufangen und nicht mehr in der ganzen Grafschaft herumfahren zu müssen. Und Weihnachten wird richtig schön. Dafür sorgen wir. Es ist gut, dass ein paar zusätzliche Gäste kommen. Immer eine gute Taktik, nicht nur die Familie, sondern auch Freunde zu Weihnachten einzuladen. Dann müssen sich alle zivilisiert benehmen. Aber schade wegen Adam.«
Eine Weile gehen sie schweigend weiter. Keiner von ihnen mag über Adam reden. Er hat ihnen erklärt, er werde Weihnachten nicht kommen. Natasha und er haben sich getrennt, hat er gesagt, es hat einfach nicht funktioniert, und seine Firma versetzt ihn nach London. Er hat in seinem neuen Büro eine Menge zu regeln, und dann der Umzug in die kleine Wohnung, die er gemietet hat … Vielleicht kommt er sie im neuen Jahr besuchen …
Mo stimmt ihm in allem zu. Sie ist traurig, dass er nicht bei ihnen sein wird, aber es tut ihr nicht leid, dass sie Natasha und ihre Kinder nie mehr wiedersehen werden. Adam weigert sich, die Gründe für ihre Trennung zu nennen, obwohl er zugibt, dass er wahrscheinlich nicht zum Vater geschaffen ist. Er werde sich melden, hat er versprochen. Das inzwischen vertraute Schuldgefühl steigt in Mo auf, und sie kämpft darum, ihre fröhliche Stimmung zu wahren. Sie konzentriert sich auf den Weihnachtstag. Es wird Spaß machen, Gäste zu haben. Jakey und Clem kommen zum Mittagessen, und nachher hören sie die Weihnachtsansprache der Queen und öffnen die Geschenke, die unter dem Baum liegen. Clem wird wie immer eine tröstliche Quelle der Kraft sein, und Jakey wird bestimmt alle bei guter Laune halten. Doch sie denkt immer noch über Adam nach und wünscht sich sehr, dass er glücklich wird.
»Schließlich«, meint Pa, »kann er immer nach Hause kommen, wenn er das Bedürfnis danach hat.«
Sie treten wieder den Rückweg an, rufen die Hunde und versuchen, ihren Optimismus zu wahren.
»In Ordnung, Mo?«, fragt Pa, als sie sich dem Tor des Court nähern, und sie kann ihm wahrheitsgemäß antworten.
»Mir geht’s gut«, erklärt sie energisch. »Das wird ein schönes Weihnachtsfest. Komm, lass uns hineingehen und den Kamin anzünden! Ich bin bis auf die Knochen durchgefroren.«
In der Wohnung geht Kitty von einem Zimmer ins andere, rückt kleine Nippessachen herum und sieht aus den Fenstern. Gelegentlich machen ihr Zorn und ihr Schmerz einem Gefühl von Verlust und Einsamkeit Platz. Mums Geist scheint immer noch in der Wohnung zu schweben, und Kitty vermisst sie schrecklich. Wenn sie sich jetzt an sie erinnert, kann sie nur noch daran denken, wie gern Mummy Rupert gemocht hat und wie er sie aufgezogen und geneckt hat. Was hätte Mummy zu alldem gesagt? Kitty erinnert sich, wie Rupert vor längerer Zeit mit einer ziemlich attraktiven Bekannten geflirtet hat und sie sich bei Mummy beklagte. »Na ja, du würdest aber auch keinen Mann haben wollen, den sonst keine will, oder?«, hat sie darauf gesagt. Das war damals zugegebenermaßen ein kleiner Schock, und Kitty hatte beinahe das Gefühl, sie sei albern, sich etwas daraus zu machen.
Aber dieses Mal ist es anders, ganz anders. Wie in aller Welt kann sie ihm jemals verzeihen, dass er diese Frau in dem Glauben gelassen hat, sie, Kitty, sei tot? Es ist fast so, als wünschte er sich, sie wäre es – und das kann sie weder vergessen noch vergeben.
»Kannst du es nicht in deinen Kopf bekommen, dass wir überhaupt nie von dir gesprochen haben?«, hat er während eines der Telefonate, die in den letzten paar Tagen stattgefunden haben, geschrien. »Wir haben über die Arbeit geredet … Hör mir mal zu, ja? Dieses Gerücht hat Chris aus Penharrow in die Welt gesetzt. Er hat vollkommen missverstanden, dass du
Weitere Kostenlose Bücher