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Der Duft des Apfelgartens

Der Duft des Apfelgartens

Titel: Der Duft des Apfelgartens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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und stützt sich auf einen Ellbogen. »Ist das nicht der Engel, der zu Weihnachten auf eurem Bücherregal stand?«
    Jakey leckt sich die Finger und wischt sie im Gras ab. »Sie kommt in der Nacht und sieht nach unsss. Sie passst auf unsss auf.«
    »Sie sieht nach euch?«
    »Sie sssteht drausssen, aber ich kann sie sehen, wenn ich ausss dem Fenssster in meinem Zimmer ssssaue.«
    »Und was passiert dann?«
    »Ich winke ihr zu.«
    »Und winkt sie zurück?«
    Jakey schüttelt den Kopf. »Sie hat ihre Hände zusammen, so .« Er faltet die Hände. »Sie hält ihr Herz fessst, dessswegen kann sie nicht zurückwinken.«
    Nachdenklich trinkt Janna ihren Tee. Sie erinnert sich an den großen, entzückenden Engel mit dem Bindfadenhaar und der zarten Krone; und jetzt weiß sie auch wieder, dass Tante Gabriel ein rotes Herz aus Satin in den Händen hält. Sie vermutet, dass Jakey besonders lebhaft geträumt hat.
    »Hauptsache, du hattest keine Angst«, sagt sie.
    »Nein. Ich hab sie lieb«, antwortet er. »Sie macht mir keine Angssst. Sie passsst doch auf unsss auf. Sieh mal, da issst Daddy!«
    Schnellen Schrittes kommt Clem durch den Obstgarten auf sie zu. Die hübschen grau-goldenen Zwerghühner stieben vor ihm auseinander. Er wirkt stark, zuverlässig und zielbewusst. Janna sieht ihn in einer Mischung aus Überraschung und Argwohn näher kommen; ganz offensichtlich hat er etwas Neues gehört. Ihr Instinkt warnt sie, dass ihnen allen eine große Veränderung bevorsteht, und ihr Herz schlägt vor Bangigkeit schneller.
    »Wir haben einen Muffin für dich aufgehoben«, schreit Jakey, der sich freut, seinen Daddy zu sehen. »Du kannssst dich da hinsetzen, auf den Ssstuhl.«
    Clem verstaut seine langen Glieder in dem kleinen Klappstuhl und lächelt ihnen beiden zu. Immer noch misstrauisch, steht Janna auf und schaut ihm in die vor Aufregung strahlenden Augen.
    »Sie sehen aus, als hätten Sie im Lotto gewonnen«, meint sie leichthin. »Eine Tasse Tee?«
    »Oh, ja, bitte. Ganz normalen, wenn Sie haben.« Er nimmt den Muffin an, den Jakey ihm aufdrängt, und sieht wieder Janna an, die auf dem Treppchen in den Wohnwagen zögert. »Ich habe gerade Vater Pascal getroffen.« Er spricht leise. »Gute Nachrichten. Vielleicht brauchen wir doch nicht fortzugehen. Können Sie zum Abendessen vorbeikommen, nachdem ich Jakey ins Bett gebracht habe?« Sie nickt, und er lächelt ihr aufmunternd zu. »Es klingt wirklich gut«, verspricht er, und dann stürzt sich Jakey auf ihn und fordert seine Aufmerksamkeit ein, und Janna klettert in den Wohnwagen, um den Tee aufzugießen.

Trinitatis
    Nach zwei Wochen mit kaltem Wind und schweren Regenfällen, die die restlichen zerbrechlichen Blüten von den Azaleen geschlagen haben, ist die letzte Juniwoche sonnig und warm. Im Garten des Court klammern sich junge Spechte, die ihre leuchtend roten Federkappen zur Schau tragen, nervös an die Futterhäuschen. Sie testen ihre neu erworbenen Fähigkeiten und hoffen trotzdem, dass der wachsame Altvogel sie füttert. Aus einer Ecke unter der Steinmauer gleitet eine bronzefarbene Blindschleiche lautlos in die feuchtwarme Sicherheit des Komposthaufens.
    Mo, die an der langen Mauer Unkraut jätet, setzt sich auf die Fersen. Sie fühlt sich erschöpft und besorgt. Vor ein paar Stunden sind Adam, Natasha und die Mädchen nach einem Wochenende voller Spannungen wieder nach Hause gefahren, und Pa und sie leiden noch unter der Belastung. Die Mädchen waren verstockt wie immer, und Natasha scheint ihr Benehmen zu billigen. Sie zuckt die Schultern, lächelt entschuldigend, unternimmt aber nichts, um ihnen klarzumachen, dass sie vielleicht auf Fragen antworten oder höflich sein könnten.
    »Wahrscheinlich«, hat Pa gemeint, »sind wir ihnen vollkommen gleichgültig. Sie haben einen Vater, auch wenn er nicht bei ihnen lebt, und Tanten, Onkel und Großeltern. Da sind wir bloß zwei langweilige alte Tattergreise, mit denen sie sich nicht abzugeben brauchen.«
    »Das ist noch lange keine Entschuldigung für Unhöflichkeit«, entgegnete Mo. »Egal, wer wir sind, trotzdem ist normale Höflichkeit angebracht, vor allem, wenn sie bei uns zu Gast sind.«
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Ganz offensichtlich nicht.«
    Und jetzt ist sie entschlossen, mit Dossie zu reden, um ihr zu sagen, dass sie ihr das Court hinterlassen wollen, und sie zu fragen, ob sie einen Grund weiß, weshalb das kein guter Plan wäre.
    Unter Schmerzen steht Mo auf und wirft eine Hand voll Unkraut in die Schubkarre.

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