Der Duft des Apfelgartens
können, finde ich.«
Janna schmunzelt. »Ganz meine Meinung. Ich mag ihn schon sehr gern, aber nicht auf diese Art. Und er empfindet genauso für mich.«
»Schon merkwürdig, diese Sache mit der Chemie, die stimmen muss, oder? Man kann so etwas einfach nicht erzwingen.«
Janna schüttelt den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich schon einmal richtig verliebt war. Und damit meine ich nicht Sex, das ist einfach. Aber die große Liebe habe ich noch nicht erlebt. Es ist so etwas, was Sie jetzt fühlen?«
Dossie errötet, und Janna lacht. »Sie brauchen nicht darauf zu antworten. Doch ich kann es kaum abwarten, Rupert kennenzulernen.«
»Das werden Sie aber müssen«, gibt Dossie zurück. »Einer hinreißenden jungen Frau wie Ihnen werde ich ihn erst vorstellen, wenn ich ihn fest an der Angel habe.«
Als Janna später zum Strand hinuntergeht, überlegt sie sich, wie das für Dossie sein muss: verliebt zu sein, aber nicht darüber reden zu können. Sie kann sich vorstellen, wie schwer es Dossie fallen würde, Mo und Pa zu eröffnen, dass sie sie verlässt, und Clem ihre Gefühle zu erklären. Doch es ist so traurig, dass sie ihr Glück verstecken muss, statt es mit anderen zu teilen.
Im Moment scheint jeder Geheimnisse zu haben. Janna schlägt den Klippenpfad ein und wünscht sich, sie könne auch ihr Geheimnis mit Dossie teilen; aber das Schicksal von Chi-Meur ist ein Geheimnis, das nicht ihr allein gehört. Clem und Jakey haben damit zu tun, und Dossie würde sich ihretwegen Sorgen machen.
Der Gesang der Lerche, der sprühend immer weiter aufsteigt und dann rasch abfällt, um zu verstummen, lenkt sie ab. Hier, auf dem geschützten Pfad, blühen Strandgrasnelken in dicken rosa überhauchten Büscheln, und über ihnen, an den rauen Granitwänden, ranken zwischen roten Spornblumen zarte weiße Zistrosen. Sie geht in die Hocke und rafft ihren roten Baumwollrock um die Knie, um einen Hügel eilig dahinhuschender Ameisen zu betrachten, die geschäftig am Fuß der Wand an einer Malvenwurzel ein- und auslaufen. Wie organisiert sie sind und wie eifrig! Sie tragen Futter herbei und bewachen ihr Heim. Lächelnd ärgert sie sie ein bisschen mit einem langen Grashalm; aber sie ist auch beeindruckt, als sie sich aufrichten und furchtlos die zangenartigen Vorderbeine gegen diesen Eindringling erheben.
Draußen auf der Klippe überfällt sie der starke Wind und dringt auf sie ein. Trotz des warmen Sonnenscheins ist er immer noch kalt. Als sie sich dem Rand der Klippe nähert, hört sie ein ungewöhnliches Geräusch, ein schrilles Kreischen wie das Weinen von tausend Babys. Neugierig sieht sie aufs Meer hinaus, wo ein weißes Segel auf dem türkisfarbenen und tiefpurpurnen Wasser hin- und hergepeitscht wird und hohe Wellen mit weißen Schaumkronen heranrollen und Gischt sprühend an den steilen, grau glitzernden Klippenwänden zerschellen.
Das Kreischen kommt von irgendwo unter Janna, und als sie hinabschaut, erblickt sie etwas Seltsames: Hunderte junger Möwen drängen sich in Reihen in den Felsspalten und schreien nach Futter. Die Eltern stürzen sich unterhalb der Felsen ins Wasser und landen und starten wieder in dem hektischen Versuch, ihre Jungen zu versorgen. Plötzlich umschwärmen die Möwen Janna in einem Wirbelsturm aus weißen, schlagenden Schwingen, und sie tritt zurück und hebt instinktiv die Arme, um sie zu vertreiben. In einer Mischung aus Angst und Aufregung über diese Begegnung entfernt sie sich vom Rand der Klippe, stemmt sich gegen den Wind und schlägt erneut den Pfad ein. Unten am Strand wird es besser sein. Da kann sie sich im Schutz der Felsen in die Sonne setzen und ein wenig schlafen.
»Sicherlich«, sagt Schwester Ruth, »wäre es doch vernünftiger, wenn wir zu den Schwestern in Hereford ziehen, als Chi-Meur für Fremde zu öffnen. Aus unserem eigenen Flügel in das Kutschenhaus zu ziehen, würde einen riesigen Umstand darstellen. Wie sollen wir das bewältigen?« Sie sieht Schwester Nicola an, die aufmerksam auf etwas zu lauschen scheint, das kein anderer hören kann. »Wie soll sie damit fertig werden? Sie ist in letzter Zeit wieder sehr unruhig und verschwindet und läuft allein herum. Ich bin mir sicher, dass das an all dieser Aufregung liegt.«
Ruth hat das Gefühl, dass ihr die Lage aus den Händen gleitet. Sie weiß, dass Schwester Emily diese Lösung begrüßen wird – sie ist schon immer radikal gewesen –, und Magda wird nervös hin und her überlegen und versuchen, es allen recht zu
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