Der Duft des Bösen
Zwei-Sechs-Vier-Sieben, richtig?«
»Warum brüllen Sie es nicht gleich auf die Straße hinaus?«, meinte Zeinab und drehte sich um. »Damit es auch ja das ganze Gesindel draußen hört. Sie können denen ja gleich den Schlüssel geben.«
»Zeinab, das genügt.« Inez witterte einen weiteren heftigen Streit, bevor sich Freddy und Ludmilla auf den Weg machten, um ihren Bus ab Victoria zu erreichen. »Trotzdem ist es nicht gut, Freddy, diese Nummer in aller Öffentlichkeit herumzuposaunen.«
»Das würde ich doch nie machen, Inez«, sagte Freddy tugendhaft. »Übrigens, da wir gerade beim Thema sind, ich könnte mich durchaus irren, wenn ich jeden der hier Anwesenden für ein Unschuldslamm hielte. Ich bin eben zu vertrauensselig, das ist mein Problem.«
»Und was soll das heißen?« Zeinab machte ein paar Schritte auf ihn zu.
Es sollte lange dauern, bis Inez die wahre Bedeutung seiner Bemerkung wirklich klar würde. »Zeinab, bitte«, sagte sie und meinte dann zu Ludmilla, die sich eine Zigarette angezündet hatte: »Fort mit euch, ihr seid mir ein schönes Pärchen. Ich weiß ja nicht, wann euer Bus fährt, bin mir aber sicher, dass ihr keine Zeit mehr habt, sonst verpasst ihr ihn noch.«
Schwungvoll öffnete Freddy die Tür und hob die Koffer auf. Noch in der Tür drehte sich Ludmilla um und feuerte zum Abschied eine letzte Salve ab. »Schade, dass Sie nicht mitkommen, Miss Sharif. Sie könnten Opi in seinem Rollstuhl mitbringen.«
Zeinab beabsichtigte allerdings, den Sonntag mit Rowley Woodhouse zu verbringen und den Montag mit Morton Phibling. Kaum hatte sie sich von Ludmillas Stichelei erholt, erzählte sie Inez alles darüber. Rowley hatte darauf gedrängt, sie solle doch am Samstag mit ihm nach Paris fahren, während Morton ein Wochenende in Positano vorgeschlagen hatte.
»Ich habe zu beidem ›Nein‹ gesagt. Ich weiß, dass es altmodisch ist, Inez, aber meine Jungfräulichkeit bedeutet mir viel und meinem Paps noch verdammt viel mehr. Sie würden mich nicht mehr respektieren, wenn ich mich ihnen vor den Hochzeiten hingeben würde.«
Während Inez diese überholte Ansicht möglichst unverkrampft zur Kenntnis nahm, sagte sie: »Aber es wird doch gar keine Hochzeiten geben, oder?«
»Ganz gewiss nicht, doch das wissen die ja nicht, oder? Rowley und ich werden tagsüber nach Brighton fahren, und Morton meint, er würde mich mittags und abends zum Essen auf ein Luxusschiff auf dem Fluss einladen, das er extra dafür gemietet hat.«
Inez fiel wieder ein, wie sie beide Ausflüge in Begleitung von Martin gemacht hatte, auch wenn es damals kein Luxusboot gewesen war, was aber nicht weiter schlimm gewesen war, im Gegenteil. Heute Abend würde sie sich »Forsyth und der Skarabäus« anschauen, einen ihrer Lieblingsfilme. Wie sie durch Zufall mitbekommen hatte, besaß auch ihre Schwester die ganze Forsyth-Serie auf Video, und doch würden am Montag alle versteckt sein. Miriam war viel zu taktvoll, um sie Inez je vor Augen kommen zu lassen. Inez seufzte, nicht wegen der Erinnerungen, ja, nicht einmal wegen ihres Verlustes, sondern wegen der Missverständnisse und – verwandelte den Seufzer in ein Hüsteln. Nicht einmal ihre eigene liebenswürdige, zart besaitete, aufmerksame Schwester hatte je begriffen, dass sie unbedingt erinnert werden wollte. Sie wollte sein Bild sehen und über ihn sprechen, damit sie ihn ja nicht vergaß, damit die Erinnerungen niemals verblassten.
Den ganzen Sonntag war sie mit Jeremy Quick allein im Haus und, noch entscheidender, auch in der Nacht von Sonntag auf Montag. Das war noch nie passiert. Inez war nicht ganz wohl dabei. Bisher hatte sie nicht begriffen, wie sehr die Anwesenheit von Will Cobbett, Freddy und Ludmilla als beruhigender Puffer zwischen ihr und ihm diente, aber als sie das letzte Mal darüber nachgedacht hatte, hatte sie auch keinen Grund gehabt, Jeremy zu misstrauen. Einige Leute würden sagen, sie nähme diese Sache über Gebühr wichtig. Schließlich hatte er nichts weiter getan, als eine Freundin samt Mutter zu erfinden und die Geschichte mit Details aus deren Biografien und Lebensumständen auszuschmücken. Und dann war er lediglich zurückgezuckt, als sie seinen Arm berührt hatte. So betrachtet, hatte alles insgesamt keine besondere Bedeutung. Hatte er diese Frauen nicht einfach deshalb erfunden, um ihre Einladungen ausschlagen zu können? Und trotzdem, mahnte sie sich, während sie sich für die Nacht fertig machte. Männer über vierzig hegen nicht
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