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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Um sie einzuordnen, blieb ihm lediglich ein Merkmal: Alle waren jung, und keine war eine Asiatin oder Afrikanerin gewesen. Was nicht heißen sollte, dass eine Passende diese Kriterien nie erfüllen würde. Ein Rassist war er nicht, dachte er ziemlich bitter, wobei er über seinen eigenen Witz lachen musste und sich selbst dazu gratulierte, dass er noch immer einen Sinn für Humor besaß.
    Er schloss sein Haus auf und ging geradewegs ins Büro. Samstagsarbeit konnte er nicht ausstehen, aber wenn er sich am Montag freinehmen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig. Wahrscheinlich würde er sonntags hier übernachten, um früh mit dem Auto aufzubrechen. Und doch war es schwierig, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. So war es immer. Alles war schwierig, wenn er über die Mädchen und vor allem über ihr äußeres Erscheinungsbild nachgedacht hatte. Mit einer Ausnahme. Genau deshalb musste er wohl zwangsläufig immer daran denken, sobald er bei seiner Mutter war und sonst nichts zu tun hatte. Ohne dass er herausfand, warum er sie überhaupt umbringen wollte. Warum er sich beim Anblick der Nächsten, die es unbedingt sein musste, im Handumdrehen in eine adrenalingeladene Maschine mit einer einzigen Funktion verwandelte. Nein, nicht direkt in eine Maschine, denn während des ganzen Vorgangs war er sich bewusst, dass sein Blut durch die Adern strömte, dass es in seinem Kopf pochte und in seinen Ohren dröhnte. Seine Haut prickelte, sein Speichel vertrocknete, um seine Brust wurde es eng, und seine Kehle schnürte sich zu. Dann wurde sein ganzer Körper leicht und begann, wie bei einem Tänzer, zu schweben, wenn auch kontrolliert.
    Mit Sex hatte das Ganze nichts zu tun. Dabei hatte er nie so starke Gefühle empfunden. Außerdem verspürte er kurz vor dem Töten eine ganz andere Art und Dimension von Begehren. Während der Tat berührte er höchstens die Haut am Nacken und, wenn es unbedingt sein musste, die Stelle, wo sich das Objekt befand, das er mitnahm. Nur im Fall von Jacky Millers Ohrringen war er gezwungen gewesen, Fleisch zu berühren; Gaynor Rays Silberkreuz hatte über ihrem Seidentop gehangen. Nie würde ihn die Erinnerung an die Berührung beim Abnehmen der Ohrringe verlassen, die sich durchaus mit den Empfindungen eines anderen Menschen vergleichen ließ, wenn er einen verwesten Kadaver berührte …
    Warum also hatte er sie umgebracht? Warum hatte er sie umbringen müssen? Und warum war dieser Zwang erst vor zwei Jahren aufgetreten? Nacheinander zogen sie vor seinen Augen vorbei, eine Schattenprozession, und doch so lebendig, als wären sie seine Geliebten gewesen. Auf ihren Gesichtern lag nichts Anklagendes, nur etwas Keck-Provozierendes, als hätten sie gewonnen. Bei diesem Wettbewerb hatte er verloren, während sie gesiegt hatten, denn er kannte den Grund nicht. In einem plötzlichen Wutanfall hieb er mit der Faust auf den Schreibtisch, dass der Laptop aufsprang und die Stifte in ihrem Becher klapperten.
     
    Als James kam, sah sich Will gerade im Fernsehen einen britischen Film aus den dreißiger Jahren an. Becky, deren Nervosität wegen des bevorstehenden Besuchs ständig wuchs, hatte ihr Bestes getan, um ihn wenigstens zum Wechsel auf einen anderen Kanal zu bewegen. Leider beherrschte Will die Fernbedienung trotz seiner Schwächen auf anderen Gebieten meisterhaft. Kaum wandte sie die Augen ab, war er auch schon wieder auf seinem einmal gewählten Programm. James kam mit Blumen und einer Flasche Wein und wurde vorgestellt, wobei Will wie jeder normale Mensch aufstand und ihm die Hand schüttelte. Natürlich immer noch ohne ein Wort. Becky wollte unbedingt, dass beide gut miteinander auskamen. Auf Wills Aussehen war sie stolz, besonders im Kontrast zum letzten Mal. Auf das weiße Hemd, das sie ihm gebügelt hatte, und die blaue Krawatte. Rein äußerlich war mit ihm alles in Ordnung, ja, nach einigen ordentlichen Mahlzeiten und guten Nächten sah er sogar besonders gut aus. Noch immer war sie unsicher, ob sie James die Sache mit der Polizei, deren Verdacht und Wills Untersuchungshaft erzählen sollte. Andererseits, welchen Grund könnte sie sonst für seinen Sprachverlust und den Daueraufenthalt in der Wohnung angeben?
    »In einer Minute kommt das Rugbyspiel«, sagte James. »Wollen wir umschalten?«
    Will nickte trotz seiner zweifelnden Miene, man wechselte den Kanal, und er versuchte nicht, wieder zurückzuschalten. Schweigend saßen sie da, während Becky Tee kochte. Sie hatte auf ein Gespräch mit

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