Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
James gehofft, während sich Will auf seinen Film konzentrierte. Es gab so viel zu erklären, allerdings konnte sie erkennen, dass sich James durch diesen Schachzug um ein gutes Verhältnis zu ihrem Neffen bemühte, und war dafür dankbar. Der Tee war getrunken und der Kuchen gegessen, zumindest von Will. Erst nach einer Stunde kam James endlich zu ihr in die Küche, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
    Becky machte sich Sorgen und entzog sich ihm unwillkürlich. Angenommen, Will käme heraus und fände sie in einer Umarmung – was würde er tun? Würde es ihm etwas ausmachen? Bis zu jenem Tag, an dem er auf der Treppe eingeschlafen war, hatte er sie noch nie in Gesellschaft eines Mannes gesehen.
    Trotz des früheren Vorfalls sagte sie: »Ich muss dir von ihm erzählen, von ihm und von mir, und warum er hier ist.«
    »Musst du nicht, jedenfalls nicht heute. Ich bin durchaus bereit, es zu akzeptieren.«
    »Ich würde es lieber hinter mich bringen«, meinte sie.
    Bei ihrer Schwester und mit Wills Geburt fing sie an, aber kaum war sie bei dem Unfall angelangt, sprudelte alles nur so aus ihr heraus: ihre vermeintliche Weigerung, sich der Verantwortung zu stellen, ihr Schuldgefühl, seine Liebe zu ihr und der letzte traurige Vorfall in seinem Leben.
    »Was hat er denn nur in diesem Garten gemacht?«
    »Keine Ahnung. Er weiß es vermutlich und hat dafür wahrscheinlich irgendeine ziemlich logische Erklärung, zumindest eine, die jemandem seines geistigen Alters logisch erscheint. Doch da er nicht sprechen kann, ist es ziemlich unwichtig, ob er eine hat oder nicht.«
    »Ist er stumm?«
    »Oh, nein, nein. Die Sprechfähigkeit hat er während seines Aufenthalts bei der Polizei verloren. Sie haben ihn zu Tode erschreckt. Fürchterlich, nicht wahr?«
    »Ja, das ist es«, sagte James tiefernst.
    Er nahm ihre Hand, hob sie hoch und hielt sie fest zwischen den seinen. In dieser Haltung fand Will sie vor, als er in die Küche kam. Das Rugbyspiel war vorbei, und er suchte Gesellschaft. Als er hereinkam, stand Becky mit dem Rücken zur Anrichte, James hielt ihre Hand dicht an sein Gesicht, und beide schauten einander unverwandt in die Augen. Will stieß einen unverständlichen Laut aus, wie ihn Becky mehrmals seit seinem Einzug bei ihr gehört hatte. Schon öfter hatte er so gegrunzt, doch nie so intensiv wie diesmal. Und dieser Blick in seinen Augen. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ihr wurde eiskalt. Will wirkte weder unglücklich noch verstört oder verletzt. Nur sehr zornig.
    »Gehen wir doch alle wieder ins Wohnzimmer«, sagte sie fröhlich. Und was dann?
    Das erledigte Will. Er schaltete den Fernseher ein, schaute sie an und klopfte auf das Sofakissen neben seinem. James setzte sich in einen Sessel auf der anderen Zimmerseite. Auf dem Bildschirm explodierte ein grellbunter, schriller Comicfilm. In einem wütenden Kampf fielen Tiere übereinander her, die es zu keiner Zeit auf diesem Planeten gegeben hatte: grüne und purpurfarbene Schuppentiere mit Hörnern und Flügeln. Kämpfe von Fabeltieren regten ihn nie auf. Vielleicht waren sie sogar für ihn zu irreal. Und dann fiel Becky auf, wie er James den Rücken zugedreht und sich zu drei Vierteln ihr zugewandt hatte. Seltsam, dachte sie. Sie hatte sich zwar Sorgen gemacht, James würde ihn nicht akzeptieren können, doch nie, dass James ihm unsympathisch sein könnte. Verzweifelt ließ sie sich in die Kissen sinken. James hatte sich die Zeitung geholt, auf dem Tisch einen Stift entdeckt und begann, das Kreuzworträtsel zu lösen.
     
    Auf dem Weg zu ihrem Wochenendtrip spazierten Freddy und Ludmilla am Samstag um die Mittagszeit durch den Laden. Er schleppte die beiden Riesenkoffer, die sie für zwei Übernachtungen in einem englischen Seebad für unerlässlich hielt. Ludmilla selbst trug ihre Hutschachtel und den Kosmetikkoffer. Über ihr hellblaues Chiffonkleid hatte sie einen offensichtlich uralten Chinchillamantel geworfen, dessen Mottenlöcher eine orange Paschmina nur unzulänglich verdeckte. Beide küssten Inez – so etwas hatte es noch nie gegeben –, als würden sie für immer fortfahren und nicht nur übers Wochenende. Zeinab, die gerade zur Hintertür hereinkam, starrte sie an und drehte ihnen dann den Rücken zu, um angeblich die kaputte Standuhr zu untersuchen.
    »Inez, wir werden zurück sein, bevor Sie am Montag wiederkommen«, sagte Freddy. »Sie können sich also darauf verlassen, dass ich die Alarmanlage ausschalte. Die Nummer lautet

Weitere Kostenlose Bücher