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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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der richtige Weg«, sagte sie, allerdings nicht ängstlich, sondern so, wie sie das zu einem Freund sagen könnte, der falsch abgebogen war.
    »Ich weiß. Ich muss nur rasch in meinem Stadtplan nachsehen.«
    Er öffnete seinen Sicherheitsgurt und beugte sich über sie, um das Handschuhfach aufzumachen, doch statt seinen Stadtplan von London herauszuholen, legte er seine Hand auf das Stück Elektrodraht, das sich darin befand.
    Als es vorbei war, bewegte er nicht einmal den Körper von seinem Sitzplatz. Eventuelle Passanten würden annehmen, seine Beifahrerin wäre eingeschlafen. Das war riskant, aber Risikos hoben die Sache über das Unerklärliche und Schäbige hinaus. Vielleicht wirkte dann das Ganze auch mehr wie ein Spiel und weniger real. Trotzdem konnte sie da nicht lange bleiben. Auf der Fahrt zu seinem Häuschen, wo er sowieso hatte übernachten wollen, kam er an einem Schutthaufen in einem Vorgarten vorbei. Hier standen Riesenhäuser, alle allein auf einem Grundstück, alle mit Gärten voll dichter Büsche und hoher Bäume. Ein paar Lichter brannten noch, allerdings nicht in diesem Haus und außerdem keines in der direkten Nachbarschaft. Obwohl er sich normalerweise nicht die Mühe machte, eine Leiche zu verstecken, sagte ihm diesmal irgendetwas, dass es klüger wäre, sie zu verbergen. Kaum wusste er, dass sie tot war, hatte er ihr die Ohrringe abgenommen. Wie hatte er vorher zu sich gesagt? Alles war genau wie damals bei Gaynor Ray …
    Als er eine Woche später zu Fuß vorbeikam, war er über den Anblick hocherfreut gewesen. Damals waren Schichten von Glaswolle ihr einziger Schutz gewesen, während sie nun halb unter Ziegelsteinen und Sand und kaputten Brettern begraben lag. Es könnte lange dauern, bis man sie fand. So war es auch.
     
    Die Entdeckung lenkte ihn kurzfristig von jener Sorge ab, die ihn inzwischen nie wirklich losließ: die Spekulation darüber, was aus seiner Kassette geworden war. Natürlich war auch ein glücklicher Ausgang denkbar. Neben der Chance, dass die Diebe das Ding satt hatten und es irgendwo ungeöffnet wegwarfen, bestand noch die Möglichkeit, dass man die Gegenstände im Inneren nicht als das erkannte, was sie tatsächlich waren. Andernfalls könnten die Kassettendiebe zu der Erkenntnis kommen, dass es besser und sicherer wäre, nichts zu unternehmen. Waren sie nicht genauso kriminell wie er? Es bestand nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass Leute in deren Situation zur Polizei gingen.
    Als Tag um Tag verging und nichts geschah, wurde ihm leichter zumute. Vielleicht wäre es sein bester Schachzug, wenn er in seiner wahren Identität untertauchen würde und in Zukunft nur noch Alexander Gibbons wäre. Das war schon einmal sein Plan gewesen, als er sich mit dem Gedanken getragen hatte, die fiktive Belinda zu heiraten. Seit dem Einbruch hatte die Wohnung in der Star Street für ihn deutlich an Reiz verloren. Die scharfsinnige Inez war misstrauisch geworden, das spürte er. Nein, seine wahren Straftaten unterstellte sie ihm nicht, davon war er überzeugt, aber Lügen und Ausflüchte schon. Mit ihr allein zu sein, war nicht mehr angenehm oder amüsant, deshalb war er dazu übergegangen, die morgendliche Tasse Tee samt Plauderei zu vermeiden. Ein, zwei Mal war er nicht in der Lage gewesen, zur Arbeit zu fahren. Stattdessen hatte er sich den ganzen Tag in Paddington herumgetrieben, war spazieren gegangen, hatte in Cafés gesessen und Kaffee getrunken. Ein Gedanke hatte ihn dabei die ganze Zeit nicht losgelassen: Verfolgte ihn jemand? Manchmal war er sicher, dass er einen Schatten hatte, der sich an seine Fersen heftete, die Bayswater Road entlang, Westbourne Terrace hinauf und über den einsam-düsteren Buckel von Bishop’s Bridge. Doch schon lange vor seinem Zuhause stellte sich heraus, dass der Mann oder die Frau hinter ihm gar nicht ihm folgte, sondern lediglich denselben Weg und das gleiche Tempo hatte.
    Die Zeitungen waren voll mit Berichten über die Entdeckung von Jacky Millers Leiche und von Interviews mit ihrer Mutter, ihren Verwandten und Freunden. Eines davon, mit jener gewissen Freundin, die ihr die Ohrringe geschenkt hatte, machte ihm die Gefahr, in der er schwebte, noch deutlicher bewusst. Denn als man dem Mädchen jenes Paar zeigte, das er gekauft und Inez in ihrem Laden untergeschoben hatte, bestritt sie, dass das ihr Geschenk gewesen sei. Die Kreolen ihrer Ohrringe waren mit zwanzig Brillanten besetzt gewesen, während das Paar, das ihr die Polizei zeigte, nur

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