Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
Und doch war es so. Und jetzt war er im Begriff, daraus Kapital zu schlagen. Halt dich daran fest, redete er sich immer ein, wenn diese Traumbilder wieder aufflammten. Halt dich daran fest.
    Gibbons-Quick befand sich im Haus. Anwar hatte ihn zwar nicht hineingehen gesehen, aber am Fenster. Er war leicht wiederzuerkennen, auch wenn er ihm nur zweimal begegnet war. Einmal, als der Mann nach irgendeinem nächtlichen Ausflug gerade heimkam – das heißt, in eine seiner Behausungen. Das andere Mal spazierte er gerade die Edgware Road herauf, als er mit Freddy aus dem Ranoush Juice kam. Eben erst war G-Q an einem der Fenster im obersten Stockwerk aufgetaucht, hatte in die Gasse heruntergesehen und die Vorhänge zugezogen. Und das war der Kerl, der die ganzen Mädchen umgebracht hatte, der ihnen eine Garrotte um den Hals gelegt und so lange zugezogen hatte, bis sie tot waren! Unglaublich. Schluss damit, sagte Anwar streng, es ist nun mal passiert. Er ist es.
    Gerade als der Verkehrspolizist am anderen Gassenende wieder auftauchte, kam er aus dem Haus heraus. Wohin ging er? Dem Anschein nach wollte er zurück zur Star Street, über die U-Bahn-Station Kensington High Street. Einen Teil des Weges folgte Anwar ihm, bis das nicht mehr ging. Der Verkehr war zu dicht, und alle wollten möglichst schnell vorankommen. Da Anwar weder einen Führerschein noch eine Haftpflichtversicherung besaß, wusste er, wie töricht es gewesen wäre, wenn er am Steuer von Keefers Van aufgefallen wäre.
    Während der Heimfahrt dachte er darüber nach, was er aus Gibbons-Quicks Leben zu Tage gefördert hatte. Eindeutig ein Doppelleben, und deshalb eines – beziehungsweise zwei, in denen es viel zu verbergen gab. Ein Mann, dem es gelang, aus dem einen Leben zu verschwinden und im anderen aufzutauchen, noch dazu einer mit einem bizarren Sinn für Humor. Seit zwei Tagen wusste er nun schon, dass seine Kassette verschwunden war und dass die Diebe sie erfolgreich öffnen würden, sobald sie es nur intensiv genug versuchten oder ihnen der Zufall zu Hilfe käme. Wie ihm. Nur ein außerordentlich dummer Mensch würde die Versuche satt haben und die Kassette ungeöffnet wegwerfen. Also musste der Rottweiler damit rechnen, dass irgendjemand mit ihm Kontakt aufnahm, vielleicht sogar die Justiz.
    Beim nächsten Schritt, dachte Anwar, gälte es also, diese Erwartungen zu erfüllen. Doch vorher musste man noch sorgfältig den Boden dafür bereiten.
     
    Will war ein verängstigtes Kind. Die dünne Schicht des Erwachsenseins, die sich dank der Unterstützung durch Freunde wie Becky, Monty und Keith über sein inneres Ich gelegt hatte, schien durch die Polizei restlos abgeblättert zu sein. Manchmal vergrub er das Gesicht in Beckys Bett, manchmal kauerte er in einer Sofaecke, starrte in die Luft oder schaute hinter dem großen Fenster in den Himmel. Das Fernsehen, so kam es Becky vor, sorgte immer noch für Unterhaltung, so lange es restlos einlullend wirkte. Nette Quizsendungen, die eindeutig für Leute mit niedrigem IQ gedacht waren, Comics für Kinder, historische Komödien. Aber selbst Letztere enthielten häufig Szenen von Gewalt: Duelle, rauer Umgang mit Gefangenen, Bestrafung und Tod. All das machte Will verzagt, und er vergrub den Kopf in die Kissen. Krimiserien, Kriegsfilme, Nachrichten – nichts davon kam in Frage. Beim Anblick eines uniformierten Polizisten, ja sogar eines Zivilfahnders mit Regenmantel und Schlapphut begann er zu wimmern, rannte aus dem Zimmer und flüchtete sich in sein Heiligtum, ihr Schlafzimmer. Sie hatte es aufgegeben, dort zu schlafen, und es ihm überlassen. Für die Nächte war sie ins Arbeitszimmer umgezogen.
    James hatte bezüglich der Probezeit Wort gehalten und kam weiterhin. Was das beengte Verhältnis zwischen ihm und Becky betraf, hätte er genauso gut ein Sozialarbeiter sein können, der Material für eine Fallstudie sammelte. Wenn er kam, küsste er sie fast so, wie sie Will küsste, half ihr beim Teekochen, erzählte ihr von den Ereignissen im Büro und bot ihr für ihre eigenen Bedürfnisse einen zweiten Fernseher fürs Arbeitszimmer an.
    »Vielen herzlichen Dank, aber das wird sich nicht lohnen«, sagte sie optimistischer, als sie sich vielleicht fühlte. »Will muss in den nächsten zwei Wochen wieder in seine eigene Wohnung. Ich hatte bereits zwei Wochen frei und jetzt noch eine. Danach muss ich wieder hin, wenn ich meinen Job behalten will.«
    Mittlerweile war James süchtig nach dem Kreuzworträtsel in der

Weitere Kostenlose Bücher