Der Duft des Bösen
restlichen Abend daheim zu verbringen, mit einem Forsyth-Video als Gegenmittel zu dem Film, der wahrscheinlich eine Enttäuschung sein würde. Was für eine negative Grundeinstellung, sagte sie zu sich, hielt aber trotzdem an ihrem Plan fest. Da es in Westminster und West End von Touristen nur so wimmeln würde, die die Feierlichkeiten zum goldenen Thronjubiläum nicht verpassen wollten, mied sie diese Gegenden und ging ins Kino an der Baker Street. Während sie darüber nachdachte, dass es dieses Jahr sogar zwei Feiertage hintereinander gab, ein völlig neues Phänomen in der britischen Geschichte, machte sich in ihr eine düstere Stimmung breit, die sie nicht abschütteln konnte.
Auf der Isle of Man war es sonnig, aber kalt. Freddy und Ludmilla unternahmen täglich Busfahrten, wobei sie schöne Aussichtspunkte, Museen, Kirchen und Herrenhäuser samt und sonders mieden und um die Strände einen großen Bogen machten. Sie verließen ihre Plätze nur für Einkaufstouren und zum Verzehr riesiger Mahlzeiten, die abwechselnd aus Pizza, Burger und Pommes bestanden. Freddy erzählte sämtlichen Ausflüglern und allen anderen, die sie trafen, dass er und Ludmilla frisch verheiratet waren, eine Neuigkeit, die sie ungemein beliebt machte. Wie meinte Freddy später? Er habe kaum ein einziges Getränk selbst zahlen müssen. Seine Braut sah das allerdings anders. Sie meinte, das sei lächerlich, wenn man schon so oft geheiratet hätte wie sie. Außerdem, wer wüsste schon, wie viele Ehemänner sie noch haben würde?
Algy nahm Zeinab, die Kinder und Mrs. Sharif mit auf die Mall, um dabei zu sein, wenn die Queen mit der Königlichen Familie auf den Palastbalkon trat. Reem Sharif war eine begeisterte Patriotin und überzeugte Monarchistin und schluchzte während des Absingens der Nationalhymne hingebungsvoll in ihr Fernglas. Algy war erstaunt. Er hatte sie noch nie vorher weinen gesehen. Ganz in der Nähe befanden sich auch Anwar Ghosh, Keefer, Julitta und Flint in der Menge. Obwohl Anwar Zeinab wieder erkannte, ließ er sich das mit keiner Regung anmerken. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, Julitta seinen schwarzen Schal um den Hals zu wickeln, um den Diamantanhänger zu verstecken.
»Verdammt, was soll das? Was machst du da?«, blaffte Julitta ihn an. »Mir ist sowieso schon irre heiß. Ich kriege keine Luft mehr. Scheiße.«
»Da drüben steht das Mädchen, dem er gehört.«
»Was? Wo?«
»Von der Menge verschluckt«, sagte Anwar.
»Blöde Kuh, ich hab dir doch gesagt, du sollst das nicht tragen«, meinte Flint.
»Wird sie nach dem heutigen Tag auch nicht mehr.« Noch immer sah sich Anwar suchend nach Zeinab um. »Morgen wird er verkloppt.«
Das klang zuversichtlich. Trotzdem war er in Wahrheit unsicher, ob der Mann, den er in Clerkenwell kannte, das Ding überhaupt anfassen würde. Nie hätten sie etwas so eindeutig Wertvolles klauen dürfen. Nun, abwarten und Tee trinken. Genieße das Hier und Jetzt. Er glaubte felsenfest an die Kunst, in der Gegenwart zu leben. Hätte er sich ein Motto wählen müssen, dann dieses: Nütze den Tag. Alle vier hatten bereits eine Menge von Jeremy Quicks Geld ausgegeben und waren entschlossen, erneut durch die Pubs und später durch Clubs und Restaurants zu ziehen. Aber erst, nachdem Julittas Faible zu seinem Recht gekommen war und sie Prinz William gesehen hatte.
Am Freitag führte James Becky zum Essen aus, kam mit ihr zurück und verbrachte die Nacht in der Gloucester Avenue. Obwohl sie ihn schon mehrere Tage im Voraus gewarnt hatte, dass am Montag Will käme, vergaß er es restlos, blieb am Montagmorgen im Bett und stand bei Wills Ankunft unter der Dusche. Er wäre ja sofort heimgegangen, maulte er im Laufe des Tages Becky an. Leider habe er seine Wohnung mehreren Freunden überlassen, die extra für die Jubiläumsfeierlichkeiten aus dem Norden angereist waren.
Von Anfang an hatte sie sein Verhalten in Wills Anwesenheit befremdet. Er ignorierte ihn weitgehend, schmollte, vertiefte sich in das Kreuzworträtsel und beklagte sich bei Becky, sobald er sie einen Augenblick allein abpassen konnte. Dagegen war Wills Verhalten in Gegenwart von James bisher fast identisch mit dem gewesen, was er an den Tag legte, sobald er mit Becky oder mit Kim allein war. An jenem Montag aber fiel ihr eine Veränderung auf.
Selbstverständlich hatte sich Will seit seiner Schatzsuche und der darauf folgenden Nacht in einer Polizeizelle verändert. Er war ängstlich und redete weniger, und wenn
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