Der Duft des Bösen
Juweliergeschäft.
Mr. Khoury stürzte auf sie zu, als sei sie der Mensch, auf den er den ganzen Tag gewartet hätte, um seinen Kummer loszuwerden. »Polizei war bei mir«, sagte er schockiert. »Was soll ich denken? Ich sage Ihnen, was ich denke. Die wollten mich als Terrorist von Al-Qaida verhaften.«
»Sicher nicht, Mr. Khoury.«
»Wie Sie sagen, es war auch nicht so. Es ging um die letzte tote junge Dame. Habe ich am Donnerstagabend jemanden rennen gesehen? Glauben Sie, ich wohne hier in diesem Laden?, ich sage. Hier?, ich sage. Ich, in dieser Gegend?« Obwohl diese Bemerkung Inez gegenüber nicht sehr schmeichelhaft war, überging sie sie. »Ich besitze schönes Einzelhaus in Hampstead Garden Suburb, ich erkläre denen. Hat jemand versucht, mir eine Schmuckuhr oder einen Schlüsselring zu verkaufen?, fragen sie. Glauben die, ich kann keine Zeitung lesen? Ich bin kein Hehler, erkläre ich denen. Außerdem, will ich diesen Mist anfassen? Nicht mit einer Kneifzange. Wenn sie das hören, sie gehen weg. Jetzt, wo kann ich helfen, Madam?«
»Mein Ohrring«, sagte Inez.
Der sei noch in der Reparatur, er habe ihn in irgendeine geheimnisvolle Werkstatt nach Hungerford geschickt. Nein, er habe keine Ahnung, wann er wiederkäme. Als Inez zu ihrem eigenen Laden zurückkehrte, kam gerade eine Kundin mit zufriedenem Blick und einer der dunkelblauen Tüten von »Star Antiquitäten« heraus.
»Was hat sie gekauft?«, fragte Inez, nachdem sich ihr erster Tipp als falsch herausgestellt hatte. »Es sah ziemlich groß aus. Etwa die Chelsea-Porzellanuhr mit dem Turbanmann und der Haremsdame obendrauf? Bei der hatte ich jede Hoffnung aufgegeben.«
»Nein, und auch nicht das seltsame Vieh da. Ein Paar Messingkerzenleuchter und diese getrockneten Blumen.«
»Soll ich noch eine Tasse Tee machen?«
»Für mich nicht«, sagte Zeinab. »Inez, kann ich jetzt heim? Mein Paps wird komisch, wenn ich nicht um sechs da bin.«
Warum reagierte er dann nicht komisch, wenn sie mit Morton Phibling oder mit Rowley Woodhouse ausging? Oder bildete er sich ein, sie befinde sich stets in Begleitung von Freundinnen? Inez war es leid, zu fragen, wie sie nach Hause käme. Von hier bis West Heath dauerte es mit öffentlichen Verkehrsmitteln schrecklich lange. Aber noch weniger hatte sie Lust, sich erneut eine Abfuhr zu holen, wenn sie anböte, Zeinab heimzufahren. Wirklich schade, sie wäre gern mal herausgekommen, selbst wenn sie wieder allein gewesen wäre, nachdem sie Zeinab abgesetzt hätte. Der Gedanke, in ihrem Wagen am Vale-of-Health-Teich oder drunten am South End Green zu sitzen, barg schon im Voraus eine Art melancholisches Vergnügen. Der Anblick all der jungen Leute, wie sie in die erleuchteten Cafés strömten, der späten Käufer, die sich noch Gemüse holten, und der Männer, die Blumensträuße kauften. Für April war es warm. Der Sonnenuntergang hatte lange Streifen an den Himmel gezaubert – korallenrot, lachsfarben und zartrosa –, zwischen denen Wolken wie graue Pelzschwänzchen zogen. Ach, nun ja, ohne einen Anlass würde sie nicht allein rausgehen …
Zeinab zog ihre Lippen nach, warf die Haare zurück und rief »Auf Wiedersehen« und »Bis dann«. Eine Fahrmöglichkeit für sie wäre der 139er Bus bis Swiss Cottage gewesen. Dann hätte sie in einen umsteigen müssen, der die Fitzjohn’s Avenue hinauffuhr. Aber Zeinab drehte der Bushaltestelle den Rücken zu, überquerte an der Ampel Sussex Gardens die Edgware Road und spazierte dann Richtung Broadley Terrace und Lisson Grove. Männer drehten im Vorübergehen den Kopf und schauten sie an. Einer von der Sorte, die Zeinab als Pack einstufte, rief laut: »Schätzchen, was hast du nachher vor?«
Sie ignorierte ihn. Beim Betreten der Rossmore Road beschleunigte sie ihre Schritte, denn dort unten, am Boston Place, war Caroline Dansk gestorben. Beim Gedanken an die Drahtschlinge um den Mädchenhals und an das nach der Tat verzerrte Gesicht über den geschwollenen Adern und an die hässliche Bissspur begann sie am ganzen Körper zu zittern. Erst dann fiel ihr wieder ein, dass er gar nicht zugebissen hatte.
Aber sie war ja fast da. Sie ging über die Straße und bog an dem Schild »Stadtteil Westminster, Amt für Sozialen Wohnungsbau« in die schmale Gasse ein, die zwischen den Häuserblocks hindurchführte. Im Dame-Shirley-Porter-Haus funktionierte der Lift nicht. Überraschung, Überraschung. Zeinab stieg die drei Stockwerke zu Fuß hoch, steckte ihren Schlüssel bei Wohnung
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