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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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hätten sie das vermisste Mädchen, Jacky Miller, im Diskoeingang gesehen, wo sie sich übers Handy ein Taxi bestellt hatte.
    Meine Eltern wären verrückt geworden, wenn ich mit achtzehn bis zwei Uhr früh fortgeblieben wäre, ging es Inez durch den Kopf. Auch diese Eltern waren vor Sorge fast durchgedreht. Die Mutter hatte wach gelegen und darauf gewartet, endlich die Schritte ihrer Tochter zu hören, dann war sie aufgestanden und hatte vom Fenster aus die Straße beobachtet. Das machten alle furchtsamen Mütter, auch wenn es ziemlich sinnlos war und die Situation vielleicht nur noch verschlimmerte. Als der Morgen anbrach und sie noch immer kein Lebenszeichen von ihrer Tochter hatten, verständigten sie die Polizei. Seit zwei Nächten und zwei Tagen hatte niemand etwas von Jacky Miller gesehen oder gehört. Dann erschien ihr Foto: ein ziemlich pummeliges Mädchen mit einem kindlichen Gesicht und dicht gelockten blonden Haaren. Unschuldig wirkte sie, verletzlich. Und irgendwie schien sie nicht imstande zu sein, gut auf sich aufzupassen, auch wenn sich Inez das vielleicht nur einbildete.
    »Was wird vermisst?«, fragte Will.
    Sie zögerte, ihm zu antworten, aber es musste sein. »Ein Mädchen ist am Mittwochabend ausgegangen und nicht wieder nach Hause gekommen. Sie wohnt nicht hier in der Gegend.« Obwohl dies keine Rolle spielte, bildete sie sich ein, er würde sich dadurch besser fühlen. »Sie wohnt weit weg von hier.«
    »Sie wird schon heimkommen«, sagte er treuherzig. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Na gut, werde ich nicht. Will, es ist Zeit, dass auch du nach Hause gehst. Möchtest du vorher noch etwas? Ein heißes Getränk?«
    Ganz höflich sagte er: »Nein, vielen Dank, Mrs. Ferry.«
     
    Gut einen halben Kilometer entfernt, im Dame-Shirley-Porter-Haus, hatten sich auch Zeinab und Algy Munro die Zehn-Uhr-Nachrichten angeschaut. Die Kinder waren zu Bett gegangen und schliefen nun. Zwischen ihren Eltern stand auf einem vergoldeten Couchtisch mit schwarzer Marmorplatte eine offene Schachtel belgischer Pralinen, aus der sich beide geistesabwesend bedienten. Den Raum, in dem sie saßen, gab es in jeder anderen Wohnung im ganzen Block, mit gleicher Fläche, gleichem Grundriss und derselben Anordnung der Fenster. Auch Wände und Holzvertäfelung waren überall gleich gestrichen: erstere in einem Farbton namens »Magnolie«, letztere mit der Lackfarbe »Schneeflocke«. Trotzdem war dieser Raum weitaus besser möbliert und eingerichtet. Der Fernseher hatte beispielsweise einen Plasmabildschirm und hing wie ein Bild an der Wand. In der einen Ecke stand eine Stereoanlage mit mannshohen Lautsprechertürmen, in der anderen ein Pianola. Vom Lichtauslass in der Deckenmitte hing ein riesiger Kronleuchter mit mindestens fünfhundert Glasprismen. Auf einem Arbeitsplatz zwischen den Fenstern stand ein Computer mit Maxi-Bildschirm, Internetzugang und jedem erdenklichen Zubehör.
    »Ich schätze, das ist wieder eine, die sich der Rottweiler geholt hat«, sagte Algy, wobei er sich einen weißen Schokotrüffel in den Mund schob. »Nur hat er sie diesmal nicht draußen auf der Straße liegen gelassen, wo sie einer findet. Trotzdem: Leichen tauchen immer auf.«
    »Weißt du was, Alge? Rowley Woodhouse hat mir erzählt, es gibt so was wie den Nationalverband der Rottweilerzüchter, und die machen jetzt Stunk, weil die Leute den Killer einen Rottweiler nennen. Die schreiben an die Zeitungen und sonst wohin. Sie sagen, das muss aufhören, weil’s nicht fair ist und ihre Hunde verleumdet. Weil Rottweiler nämlich liebe, freundliche Tiere sind, wenn man sie richtig behandelt.«
    Algy gab keine Antwort. »Suzanne, ich mag’s nicht, wenn du diesen Rowley Woodhouse so oft triffst. Es ist nicht richtig, dass du seinen Ring trägst. Höchste Zeit, dass ich das mal gesagt habe.«
    Zeinab nahm eine rosafarbene Cremepraline, die mit einem verzuckerten Rosenblatt dekoriert war. »Du musst das wie Arbeit betrachten. Das ist meine Arbeit.« Sie begann zu lachen. »Das bei Inez ist mein Tagesjob, und das Ausgehen mit Morton und Rowley eine Art Überstunden. Ist ja nicht so, als ob’s mir gefällt. Und mit dem Ring – na ja, den werde ich zurückgeben müssen, das weißt du genau. Ich kann nicht weiter mit dem alten Morton zum Abendessen gehen, wenn ich mich mit Rowley verloben soll.«
    »Ich mag das nicht«, sagte Algy. »Das alles mag ich nicht.«
    »Doch, tust du. Die Elektroniksachen und die Stereoanlage und den Fernseher magst du

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