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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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gelaufen. Kein Grund zur Klage. Wenn er sich mit ihm unterhielt, war das zwar, als ob er mit seinem zehnjährigen Neffen redete, aber na und? Immer noch besser als der Bockmist, den frühere Mitarbeiter geliefert hatten. Doch jetzt war etwas Beunruhigendes geschehen: Seine Schwester hatte ihr Herz für Will entdeckt.
    Sie lebte noch immer zu Hause bei ihren Eltern in Harlesden. Am Sonntag war er mittags drüben gewesen. Während seine Mutter ein Verdauungsschläfchen hielt und sein Vater das Geschirr spülte, hatte ihn Kim allein im Wohnzimmer abgepasst und sich ihm anvertraut. »Keithy, hat er eigentlich eine Freundin?«
    »Das bezweifle ich«, hatte er gesagt. »Hat nie was davon gesagt.«
    »Ich finde ihn echt toll. Er sieht wirklich supergut aus. Mehr wie ein Hollywoodstar als die Schauspieler aus dem Fernsehen.«
    »Schau, Kimmie, du weißt, dass er nicht der Hellste ist.«
    »Na und? Erzähl du mir nichts über Grips, bitte. Dominic hatte Grips, er ging auf die Uni. Schau nur mal, wie er mich behandelt hat. Vergewaltigt hätte er mich, wenn ich ihm nicht eine Sicherheitsnadel ins Bein gerammt hätte.«
    »Ich werde dir mal was sagen«, meinte Keith. »Will wird dich nie einladen. Wenn du mit ihm ausgehen willst, musst du ihn fragen.«
    »Wo arbeitet ihr denn morgen? Irgendwo in der Abbey Road, oder?«
    »Richtig, aber da kannst du nicht hin.«
    »Warum nicht? Du hast gesagt, sie sei den ganzen Tag nicht da. Während meiner Mittagspause schaue ich kurz vorbei.« Kim, die mutiger klang, als sie sich fühlte, arbeitete bei einem Frisör in der St. John’s Wood High Street. »Ich werde ihn fragen, macht mir nichts aus. Ich werde ihm erzählen, es gibt da einen Film, den ich unbedingt sehen will.«
    »Du hast echt Nerven«, sagte Keith bewundernd, »fragst einen Typen, den du gar nicht kennst, ob er mit dir ausgeht.«
    »Na, auf die Art lerne ich ihn wenigstens kennen, oder?«
    Er hatte gelacht. Trotzdem machte er sich immer noch Sorgen. Will war jung und stark und wäre vielleicht als Vergewaltiger noch eher vorstellbar als dieser Waschlappen von Dominic. Andererseits war seine Schwester für sich selbst verantwortlich, und sie war kein Unschuldslamm. Dank der Sicherheitsnadel-Technik würde sie mit der Situation schon fertig. Genug Grips, um auf die Universität zu gehen, war eine Sache, aber zwischen diesem Niveau und Wills gähnte ein gewaltiger Abgrund. Gab es denn im Bereich zwischen Genie und Gemüse nicht genug Männer, die für Kim in Frage kämen? Aber Will sah nun mal so unverschämt gut aus …
     
    Morton Phibling war eben gegangen. Diesmal war er in seinem orangefarbenen Mercedes gekommen und hatte ausführlich über seine Liebe geschwallt, wie es Zeinab ausdrückte. Ein umfriedeter Garten sei sie, in dem es nach einer Vielzahl von Gewürzen dufte. Nicht zum ersten Mal grübelte Inez darüber nach, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Es musste lange her sein. Irgendwie brachte sie ihn mit Brian in Verbindung, ihrem ersten Mann, aber weiter reichte ihre Erinnerung nicht zurück. Ein kleines Rätsel.
    Zeinab öffnete eine Schublade in einem viktorianischen Arzneikästchen, holte etwas heraus und ließ vor Inez den Diamanten auffunkeln, den sie sich auf ihren linken Ringfinger gesteckt hatte. »Was meinen Sie? Während Morton da war, habe ich ihn in die Schublade gesteckt. Rowley meinte, ich sollte ihn doch schon mal versuchsweise tragen. Versprochen habe ich noch gar nichts.«
    »Sehr hübsch«, sagte Inez. »Das erinnert mich an meinen Ohrring. Ich gehe mal nach nebenan zu Mr. Khoury, dauert nicht lange.«
    Sie hatte das Gefühl, als würden sie heute nichts mehr verkaufen. Eigentlich war es an diesem Tag ziemlich gut gelaufen. Die große Bodenvase mit dem Parthenon-Fries, die hier Monate, wenn nicht Jahre herumgestanden hatte, waren sie losgeworden, und auch das ganze venezianische Glas hatten sie an eine passionierte Sammlerin verkauft. Der weiße Van mit dem Zettel bezüglich des wissenschaftlichen Dreckexperiments stand wieder da. Höchste Zeit, dass er eine Parkkralle bekommt, dachte Inez. Noch während sie weiter misstrauisch den Van musterte, hielt Keith Beatty davor an, und Will stieg aus. Zehn nach vier. Sie machten immer Punkt vier Uhr Schluss.
    Sie sagte: »Hallo, Will, wie geht’s?« Und er sagte: »Gut, danke, Mrs. Ferry.« Er stand da und versuchte, sich einen Reim auf den Zettel zu machen, aber entweder verstand er ihn nicht oder er fand ihn nicht komisch. Inez betrat das

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