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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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dauern«, sagte Jeremy, »sonst komme ich zu spät ins Büro.«
    Osnabrook befragte ihn über den flüchtenden Menschen, aber noch ehe Jeremy antworten konnte, schaltete sich Freddy Perfect ein. »Also, da frage ich mich doch, warum soll er gerannt sein?«, meinte er im Plauderton. »Ich frage Sie. Wovon oder vor wem ist er weggerannt? War ihm denn einer auf den Fersen?«
    »Das wissen wir nicht.«
    Nach dieser ungeduldigen Bemerkung wiederholte Crippen seine Frage an Jeremy. In der Ecke, neben der großen Bodenvase mit dem Parthenon-Fries auf dem Bauch, stand Freddy, nickte weise mit dem Kopf und zwirbelte ein viktorianisches Opernglas wie einen Rosenkranz in den Händen.
    »Ich habe ihn tatsächlich gesehen«, sagte Jeremy. »Ungefähr um zehn oder fünfzehn Minuten nach neun. Wissen Sie, ich habe draußen jemanden im Laufschritt vorbeirennen gehört. Bremsen haben gequietscht. Anscheinend hat dieser Jemand eine Straße überquert, vielleicht die Edgware Road, und ein Wagen musste eine Vollbremsung machen, um ihn nicht zu überfahren. Ich habe zum Fenster hinausgeschaut. Zwei meiner Fenster gehen auf die Star Street hinaus. Er rannte die Straße hinunter, Richtung Norfolk Square.«
    »Und Sie haben niemandem etwas davon gesagt?«
    »Für mich gab es keinen Zusammenhang.«
    »Natürlich nicht«, sagte Freddy, wobei er das Opernglas hinlegte und sich einen silbernen Serviettenring nahm. »Warum sollte er? Wenn man jemanden rennen sieht, denkt man doch nicht jedes Mal, dass er von einem Tatort flieht. Sie etwa?«
    »Mr. Quick?«
    »Ganz genau. Er hat Recht. Dieser Typ hätte doch genauso gut seine abendliche Joggingtour machen können. Woher sollte ich das wissen?«
    Osnabrook verdrehte die Augen. »Handelte es sich definitiv um einen Mann? Sind Sie sicher?«
    Plötzlich wirkte Jeremy verblüfft. »Jetzt, wenn Sie so fragen – nein, ich bin mir nicht sicher. Es hätte wohl auch eine Frau sein können. Schauen Sie, ich muss wirklich zur Arbeit.«
    »Nur noch eine Personenbeschreibung, Mr. Quick, bevor Sie gehen.«
    »Inez, jetzt werden wir sehen, ob er ein guter Beobachter ist«, sagte Freddy.
    Bei dieser dritten ungebetenen Einmischung explodierte Crippen. »Hätten Sie die Güte, Mr. – äh, wie heißen Sie gleich wieder?«
    »Perfect«, sagte Freddy. »Wie ich immer sage, Name und Charakter sind bei mir Programm. Einfach – perfekt.« Würdevoll fügte er hinzu: »Ich wollte nur helfen.«
    »Ja, schön, vielen Dank. Mr. Quick, konnten Sie ihn – äh, sie gut erkennen?«
    »Ob Mann oder Frau, er oder sie war noch ziemlich jung, Anfang zwanzig, trug eine Art Jeans, ganz normale Jeans, und ein langärmliges Oberteil, keine Jacke. Das Ganze in dunklen Farben, dunkelgrau oder blau. Das konnte ich nicht erkennen, es war dunkel, und bei künstlichem Licht wirken Farben anders. Jetzt muss ich aber wirklich los.«
    »Schade, dass ich es nicht gesehen habe, dieses – dieses Zwitterwesen«, meinte Freddy und wiederholte das Wort aus reinem Vergnügen. »Ein Hermaphrodit, jawohl. Ich hätte Ihnen eine detaillierte Beschreibung bieten können.« Er hielt ein venezianisches Champagnerglas gegen das Licht und schaute hindurch. »Leider hat es das Schicksal anders gewollt. Ich war mit Ms. Gogol für eine Erfrischung im Restaurant Marquise.«
    »Bitte, Freddy, stellen Sie dieses Glas hin«, sagte Inez scharf. »Ich glaube nicht, dass Ihnen jemand erlaubt hat, herumzuspazieren und alles zu untersuchen, als seien Sie der Besitzer.«
    Freddy wirkte verletzt. »Genau das machen Kunden in Trödelläden.«
    »Dies hier ist kein Trödelladen, und außerdem muss man als Kunde immer noch irgendetwas kaufen. Haben Sie nichts Besseres zu tun?«
    Osnabrook sagte: »Wir gehen dann wieder, jedenfalls so lange, bis noch jemand auftaucht, mit dem wir uns unterhalten sollten. Habe ich hier nicht schon mal eine junge Orientalin gesehen?«
    Inez seufzte. Welcher Mann könnte diesen Anblick vergessen, und hätte er ihn auch nur einmal genossen? »Sie wohnt nicht hier, sie arbeitet für mich.« Jedenfalls sollte sie das in einer der nächsten Stunden tun, dachte sie beim Blick auf die Großvateruhr.
    »Vielleicht wollen wir uns noch mal mit Ihnen unterhalten«, warnte Crippen beim Gehen, während ihm Osnabrook die Tür aufhielt.
    »Wundert es Sie, dass wir uns auf dem Höhepunkt einer Verbrechenswelle befinden?«, fragte Freddy. Eines sprach für ihn: Er war nie persönlich beleidigt. Doch auch das hatte seine Nachteile. »Sie wissen ja, ich

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