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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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hindurch. Zulueta konnte nur ganz wenig erkennen, obwohl er eine Taschenlampe hatte. Nur allzu gern hätte er gewusst, was in diesen Säcken steckte und was sich unter dem Haufen alter schmutziger Overalls, Anoraks und sonstiger undefinierbarer Kleidung befand. Die Leiche von Jacky Miller? Weiteres belastendes Beweismaterial wie Jackys Ohrringe oder eines ihrer Kleidungsstücke? Noch ein Mädchen, von dem die Polizei nicht einmal wusste, dass sie vermisst wurde, weil sie allein auf der Welt gewesen war?
    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Will die Sixth Avenue verlassen hatte und sich auf dem Heimweg befand, machte sich Zulueta auf die Suche nach seinem Wagen, den er in der Star Street geparkt hatte. Er ging durch fast leere Straßen, die abwechselnd dunkel und dann wieder in einem unwirklichen Neonlicht da lagen, am Paddington Green entlang und unter der Überführung durch. Will war verschwunden. Vielleicht war er hinten herumgegangen oder hatte eine Abkürzung nach Hause genommen. Was nun? Zulueta grübelte.
    Seit Gaynor Rays Silberkreuz bei »Star Antiquitäten« aufgetaucht war, hatte er Will in Verdacht gehabt. Und nicht nur deswegen. Das verschlagene Benehmen dieses Kerls und seine nicht sonderlich geglückten Versuche, den unschuldigen Einfaltspinsel zu mimen, hatten alles noch verstärkt. Und dann war da noch dieser verstohlene Blick gewesen, den er heute Vormittag mit dieser jungen Sharif gewechselt hatte. Verlegen hatte Cobbett gewirkt, als sich Sharif bei ihm erkundigte, wie es ihm ginge, und meinte, sie hätte ihn schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Wer’s glaubt, wird selig! Nicht einmal ihr Tonfall war aufrichtig gewesen. Die beiden müssten sich schon etwas Besseres einfallen lassen, um Finlay Zulueta hinters Licht zu führen.
    Steckten also beide irgendwie unter einer Decke? Crippen hatte Sharif seit der falschen Adressangabe im Visier. Noch am selben Nachmittag war Osnabrook im Minicom House vorstellig geworden, einem jener regenbogenfarbenen Häuserblocks, die die Gemeinde Westminster in Lisson Grove für Sozialwohnungen bereitgestellt hatte. Was den Wohnsitz ihrer Eltern betraf, hatte sie tatsächlich die Wahrheit gesagt, wenigstens die halbe. Ihre Mutter wohnte dort. Auf Osnabrooks Frage nach dem Vater des Mädchens hatte diese lachend gemeint: »Der hat sich vor fünfundzwanzig Jahren verdrückt.« Doch selbst Crippen würde einen anderen Ton anschlagen, sobald er die Sache von dem Haus und dem Schuppen in der Sixth Avenue erfuhr.
    Möglicherweise waren Cobbett und Sharif gemeinsam daran beteiligt, aber der führende Kopf war Cobbett. Die Tatsache, dass beide ungewöhnlich gut aussahen, unterstrich noch ihre Schuld. Zulueta vertrat eine Theorie, die er einmal in einem Essay zum Thema Psychologie und Hollywoodfilme entwickelt hatte: Schöne Menschen fühlen sich zueinander hingezogen. Außerdem gab es Beweise, dass der Rottweiler im Baugeschäft tätig war. Cobbett arbeitete in der Baubranche und hatte zweifellos auch auf dieser Baustelle zu tun gehabt. Deshalb war er auf die Idee gekommen, Jacky Millers Leiche hier zu verstecken. Gaynor Rays Leiche hatte er unter einem Schutthaufen versteckt, warum dann nicht auch diese?
    Schlau war er. Nur ein wirklich schlauer Mensch könnte die Attitüde des unschuldigen Toren einnehmen und beibehalten. Zulueta überlegte, wo sich momentan Jacky Millers Leiche befand. Während ihm Dutzende Ideen durch den Kopf schwirrten, wo Cobbett sie vielleicht versteckt haben könnte, machte er sich auf den langen öden Rückweg zu der Stelle, wo er sein Auto gelassen hatte.
     
    Nur dem Zufall war es zu verdanken, dass Jeremy Quick beide gesehen hatte. Er hatte sich angewöhnt, abends meistens spazieren zu gehen. Nach dem Mord an Nicole Nimms war er sich bewusst geworden, dass er erneut rückfällig werden konnte. Anfänglich hatte er sich deshalb strikt verboten, nach Einbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen, falls ihn der innere Drang wieder überfiele. Diesem Gedanken folgte ein anderer, in dem er genau den entgegengesetzten Standpunkt vertrat. Er dürfe sich nicht zu lebenslänglichem Hausarrest verdammen, sondern müsse ausgehen und standhaft bleiben, wenn die Versuchung käme. Beim nächsten Mal kämpfte er mit sich im Halbdunkel, um den Impuls unter Kontrolle zu bringen. Mit Erfolg. Allerdings bezahlte er dafür mit einem Schweißausbruch, bei dem er am ganzen Leib zitterte und sich schließlich in den Rinnstein übergab. Danach trat wieder

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