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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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genügt. Sie hätten Anwalt werden sollen. Sperren Sie bitte die Tür auf, und drehen Sie das Schild um?«
    Hätte Inez diese Frage Ludmilla gestellt anstatt Freddy, hätte sie vielleicht etwas über Anwar Ghosh erfahren. Ludmilla hasste Anwar aus verschiedenen Gründen: erstens, weil er sie links liegen ließ, zweitens als möglichen Rivalen um Freddys Zuneigung und drittens, weil er sie wie einen Ladenhüter behandelte. Liebend gern hätte sie ihm Schwierigkeiten bereitet, aber Inez konnte Ludmilla wenig leiden und sprach sie nur an, wenn es unbedingt nötig war. Die Frage an Freddy bezüglich des Perpendikels an der Standuhr stellte sie einstweilen zurück, nicht aus Mangel an Selbstvertrauen, sondern um sich weitere gewundene Reden und Erklärungen von ihm zu ersparen. Stattdessen überlegte sie, ob sie die Uhr einfach brav zurücknehmen oder sich weigern sollte, das bezahlte Geld zu erstatten.
    Wenige Minuten nach neun Uhr rief sie Becky an, um sich nach Will zu erkundigen.
    »Inez, ich habe mich noch gar nicht bei Ihnen bedankt, dass Sie mich gestern begleitet haben. Das war sehr liebenswürdig, und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.«
    »Wie geht es ihm heute?«
    »Nun, er ist wach und hat schon gefrühstückt. Sprechen tut er immer noch nicht.«
    »Werden Sie es denn schaffen?«
    »Ich hoffe doch. In einer Minute werde ich im Büro anrufen und sagen, dass ich mir eine Woche Urlaub nehme. Hoffentlich reicht eine Woche, Inez.«
    Sie klang wesentlich weniger verzweifelt, dachte Inez. Als Nächstes hatte sie eigentlich Mrs. Sharif anrufen wollen, um sich zu erkundigen, wann Zeinab wieder käme, doch stattdessen saß sie da und dachte über das merkwürdige Verhalten der Leute nach, denen sie täglich begegnete. Besonderes Kopfzerbrechen bereitete ihr die Frage, was Will tatsächlich mit seinen Grabungsarbeiten in einem Garten in Queen’s Park beabsichtigt hatte. Irgendein legales Motiv konnte man sich selbst in seinem Fall nicht vorstellen. Auch wenn man vielleicht etwas – na ja, intellektuell behindert war, begab man sich als ehrlicher Mensch nicht nach Einbruch der Dunkelheit zu einem leeren Haus in einem unbekannten Stadtviertel, wo einen keiner kannte, und grub ein tiefes Loch. Fast einen Meter tief, hatte ihr einer der Polizisten erklärt. Und man kaufte sich auch nicht, wenn man kein überflüssiges Geld hatte, einzig und allein dafür einen Spaten. Außerdem, was hatte er ausgraben, oder vielleicht besser gesagt, in dieses Loch hineinlegen wollen? Sie zitterte ein bisschen. Das Nachdenken über Wills Vorgehen brachte sie wieder auf ihren eigenen Garten, die Hintertür und den Schlüssel.
    Irgendein Unbekannter war hinausgegangen, und ganz sicher nicht Will. War es möglich, dass sie bei ihrem letzten Aufenthalt im Garten – wahrscheinlich vor einer Woche – den Schlüssel nur ein Mal umgedreht hatte statt anderthalb Mal? Noch war sie innerlich mit dieser Frage beschäftigt und wühlte in ihrem Gedächtnis, da öffnete sich die Ladentür und Zeinab kam in Begleitung von Morton Phibling herein.
    »Hier ist sie, meine Herzensdame«, deklamierte Morton, »kam zurück wie ein falscher Penny, obwohl es mir widerstrebt, so viel Schönheit einen so hässlichen Namen zu geben.«
    Zeinab warf ihm einen Blick zu, in dem vielleicht Widerwillen lag, vielleicht aber auch nur Resignation über ein unvermeidliches Schicksal. Offensichtlich ging es ihr ausgezeichnet. Mit ihrem neuen schwarzen Wildlederrock, der gut fünfundzwanzig Zentimeter über ihren Knien endete, einer neuen weißen Seidenbluse, goldglänzenden Augenlidern und dem Diamantstecker in der Nase sah sie aus wie das blühende Leben. Ihre schwarzen, frisch gewaschenen Haare dufteten nach Tuberose und hingen ihr wie ein Satinumhang über den Rücken.
    »Wie finden Sie mein Verlobungsgeschenk?« Morton legte einen wurstähnlichen Finger auf einen Diamanten, der ungefähr die Größe des Kohinoor hatte und an einer Goldkette um Zeinabs Hals hing. »Schön, was?«
    »Sehr schön«, sagte Inez. »Ich will ja kein Spielverderber sein, aber meiner Ansicht nach solltest du das hier in der Gegend nicht draußen auf der Straße tragen.«
    »Ach, das werde ich auch nicht. Aber in Morts Auto war es ja o.k. Inez, gestern hat mich Mort zur Anprobe für mein Brautkleid ausgeführt.«
    »Tatsächlich? Ich dachte, du hättest einen Virus.«
    »Da war das Schlimmste schon vorbei.« Zwei Zentimeter vor Mortons Gesicht gab Zeinab der Luft einen Kuss. »Jetzt beeil dich,

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