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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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immer noch im Bett, sagte die schlampige Frau, die ihm öffnete.
    »Führen Sie mich zu ihm«, erwiderte Anwar theatralisch.
    Er zerrte Keefer aus seinem Bett, eine Matratze, die zwischen einem halben Dutzend weiterer Matratzen auf dem Boden lag. »Steh auf, Kumpel«, sagte er. »Gibt Arbeit für dich. Schaff deinen fahrbaren Untersatz in die Waschanlage nach Kilburn – nein, besser in die in Hendon’s. Und dann wirf diesen Scheißzettel von der Heckscheibe weg. Der Witz zog höchstens fünf Minuten.«
    »Meinen Van waschen?«, meinte Keefer, als hätte Anwar etwas Gewichtiges vorgeschlagen, etwa, er solle baden oder sich eine bezahlte Tätigkeit suchen.
    »Genau das habe ich gesagt. Am besten fährst du ihn gleich zweimal durch die Anlage, und zwar jetzt. «
    Anwar drückte ihm einen Zehn-Pfund-Schein in die Hand.

16
    Alexander war zur Oxford Street gefahren, um Geschenke für seine Mutter zu kaufen. Jeremy hatte er in der Star Street zurückgelassen. Nächste Woche hatte sie zwar Geburtstag, aber auch ohne besonderen Anlass kaufte er ihr bei jedem seiner Besuche etwas. Das große Geschenk bestand aus einem CD-Spieler mit fünfzig CDs ihrer Lieblingsmusik. Spieler und CDs konnten geliefert werden. Für ihn waren sie zum Tragen viel zu schwer, es sei denn, er würde sein Auto nach Paddington bringen. An einem Feiertag würden die Parkverbote nicht gelten, und er könnte vor dem Haus parken, aber bisher hatte er es vermieden, seine Mitmieter sein Auto sehen zu lassen, und hielt es für sinnvoll, es auch dabei zu belassen. Nachdem das Hauptgeschenk besorgt war, kaufte er eine große Schachtel Schokoladetrüffel, eine Flasche Krug-Champagner, eine grüne Orchidee in einem Keramiktopf und eine Flasche Bulgari-Parfüm.
    Immer wenn er sich der Selbstanalyse widmete und herauszufinden suchte, warum Jeremy Mädchen umbrachte, amüsierte er sich mit trockenem Humor über die Ansicht von Experten, er würde sich damit stellvertretend an seiner Mutter rächen, die ihn tyrannisiert und beherrscht hatte. Er liebte seine Mutter von Herzen. Wahrscheinlich war sie der einzige Mensch, den er je wirklich geliebt hatte. Seine Eltern hatten eine glückliche Ehe geführt, aber keiner von beiden war ein starker Charakter gewesen. Als einziges Kind hatte er ab seinem elften Lebensjahr den Haushalt bestimmt. Damals hatte er mit spektakulären Ergebnissen die Aufnahmeprüfung für eine Privatschule bestanden, die er fortan gegen eine sehr geringe Gebühr besuchen durfte. Vorher hatten sie ihn vorbehaltlos geliebt, danach verehrten sie ihn wie eine Gottheit. Wenn sie einen anderen Typ Sohn gehabt hätten, hätte der Tod seines Vaters vermutlich auch die Mutter umgebracht. So aber hatte er ihr diesen Mustersohn hinterlassen, dieses liebevoll-freundliche Genie, das ihr jegliche Verantwortung abnahm, sich um alles kümmerte und sie sogar noch aus der Ferne lenkte, als er längst nicht mehr bei ihr wohnte.
    Die Schwachstellen in seiner Karriere und seinem Lebensstil – kaum mochte sie zugeben, dass es Schwachstellen waren – trugen nicht dazu bei, ihn von dem Sockel zu stoßen, auf dem er in ihren Augen stand. Sie war imstande, für ihn noch bessere Ausreden zu erfinden als er selbst, ohne hinterher auch nur ein Wort über die Schwachstellen oder die Entschuldigungen zu verlieren. Sein geschäftlicher Erfolg, besonders seine Selbstständigkeit, riefen bei ihr fortwährend Zuspruch und Lob hervor. Mit seiner Frau und seiner Freundin war sie nicht zurechtgekommen, weil diese für ihn selbstverständlich nicht gut genug gewesen waren. Inzwischen wollte sie nicht mehr wissen, wann er sich für eine Frau entscheiden und heiraten würde.
    Sie freute sich auf seine Besuche und nahm seine Geschenke entzückt entgegen, wobei sie ihm auf ihre charmante Art erklärte, das hätte doch wirklich nicht sein müssen, aber es (was auch immer) sei so hübsch, dass sie sich darüber von Herzen freue. Außerdem besaß sie, wie nur wenige Menschen, die erfreuliche Angewohnheit, während seiner Besuche immer wieder auf die Blumen, die Pralinen oder das Parfüm mit Bemerkungen einzugehen wie: »Sind sie nicht wunderschön?« Oder: »Was hast du nur für einen guten Geschmack, dass du gerade das ausgesucht hast!« Nur zweimal in seinem ganzen Leben hatte sie sich in einer Art geäußert, die ihm ganz und gar nicht passte. Mit einem zärtlichen Lächeln hatte sie während einer liebevollen Reminiszenz an seine Teenagerjahre eine Bemerkung über die Zahnspange

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