Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
Schweigend hatte sie ihm zugehört, auch wenn sich die ganze Bandbreite ihrer Gefühle auf ihrem Gesicht widerspiegelte. In ihren Augen standen Tränen, als sie jetzt nach seiner Hand griff. »Oliver, ich ... ich habe glaube ich noch nie etwas Traurigeres gehört. Es tut mir so Leid.« Sie unterbrach sich und sah wieder aufs Wasser hinaus. »Hast du dich daran gehalten? Ich meine, bist du nie mehr zu ihr gegangen?« Ihre Augen suchten seinen Blick.
Er schwieg noch einen Moment und reckte dann das Kinn vor. »Sie ist in der Nacht darauf gestorben. Ich hatte also keine Chance mehr, noch einmal mit ihr zu reden. Sammy war damals vier Jahre alt, und ich weiß nicht, was ich ohne sie angefangen hätte.«
»O Oliver, wie dumm, dass ich danach gefragt habe. Es tut mir Leid. Ich ... ich muss dir ziemlich gedankenlos vorkommen.«
Er drückte ihre Hand und lächelte ihr zu. »Ist schon in Ordnung, Sarah. Ehrlich. Es hat gut getan, sich einmal alles von der Seele zu reden.« Er versuchte zu scherzen. »Wer hätte das gedacht? Ich meinte, ich könnte dir helfen, und nun ist es umgekehrt.«
Sie blieb ernst. »Wenn ich darüber nachdenke, schäme ich mich richtig. Irgendwie war ich so in meinem eigenen Kummer versunken, dass ich den Blick für alles andere verloren hatte. Aber es war dieses Mal kein normales Traurigsein, keine normale Enttäuschung, weißt du? Damit wäre ich fertig geworden. Es kam mir so vor, alswäre alles zu Ende.« Sie senkte den Kopf und betrachtete ihre Hände. »Wolf war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Niemanden habe ich so geliebt wie ihn. Ich wäre für ihn gestorben.«
Erschrocken hielt sie inne, als ihr bewusst wurde, was sie gesagt hatte.
Oliver lächelte schwach. »Das kann man so sagen. Fast wäre es dir auch gelungen.«
Sarah kämpfte gegen die Verlegenheit an und starrte wieder auf das Meer, das so unwirklich blaugrün schimmerte. »So hab ich es jetzt nicht gemeint. Ich wollte sagen, ich hätte alles für ihn getan. Und ich dachte, ihm gehe es genauso. Wir wollten zum Jahresende heiraten. Unglaublich, nicht?« Sie zögerte, bevor sie leise hinzufügte: »Wir hatten sogar schon ein Baby geplant. Ich war so dumm.«
Oliver legte einen Arm um ihre Schultern. »Du warst nicht dumm. Du hast ihm nur dein Vertrauen und deine Liebe geschenkt und bist enttäuscht worden. Das passiert aber anderen auch. Vielleicht solltest du dich nicht nur damit trösten, sondern auch mit der Tatsache, dass er vor der Hochzeit und der Familiengründung sein wahres Gesicht gezeigt hat. So ist dir bestimmt einiges erspart geblieben, hm?«
Sarah sah Oliver direkt in die Augen. »Ich komme mir aber einfach so blöd vor. Hab ich auf dich nicht auch dumm oder zumindest reichlich naiv gewirkt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ganz und gar nicht. Du warst mir auf Anhieb sympathisch.« Er dachte nach und riss dabei ein paar Grashalme neben sich ab.
»Du bist sensibel, und das macht dich verletzbar. Duhast jemandem ganz und gar vertraut, der es nicht verdiente.« Er zuckte mit den Schultern. »Sicherlich hat dich das enttäuscht. Und bestimmt wirst du nie wieder so offen in eine Beziehung gehen wie dieses Mal. Immer wird ein Hauch von Zweifel da sein. Wird er mich auch so behandeln? Wird er mich auch so verletzen? Olivers Augen folgten einem weiteren Segler, der aufs Meer hinausfuhr. »Trotzdem musst du wieder lernen, anderen Menschen zu vertrauen. Und vielleicht – in einiger Zeit – auch wieder der Liebe.«
»Ich weiß.«
Eine Weile saßen sie noch schweigend nebeneinander und betrachteten das türkisblaue Glitzern des Pazifiks, dann stupste Oliver sie in die Seite.
»Hast du Hunger?«
»Ich sterbe vor Hunger.«
Er lachte, stand auf und zog sie hoch. »Na, dann komm. Da unten im Hafen gibt es bestimmt etwas Gutes.«
Wie im Flug vergingen die Tage auf der Insel, und Sarah konnte die Wärme und Exotik dieser Umgebung manchmal kaum fassen. Als Oliver sich am letzten Tag tatsächlich mit seinem alten Freund treffen wollte, hatte sie ihm versichert, dass sie lieber dableibe. Zum ersten Mal, seit sie die Klinik verlassen hatte, verbrachte sie die Zeit des Alleinseins entspannt und in Ruhe. Sie schlenderte abseits des Touristentrubels umher und genoss die Sonne und die Natur, die hier wirklich in krassem Gegensatz zu ihrer Heimat stand. In Deutschland kannte man die Bilder, die sich ihr hier boten, meist nur von Kalenderblättern.
Gut erholt trafen Sarah und Oliver sich abends, um gemeinsam essen zu gehen.
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