Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
nachsah. Der junge Mann musste etwa Olivers Alter haben. Jetzt war er schon eine gute Woche fort. Unterwegs im Urlaub mit der jungen Deutschen. Eine steile Falte erschien auf ihrer Stirn. Es war nicht etwa die Arbeit, die ihr hier zu viel wurde. Im Gegenteil. Sowohl Daniel als auch sie selbst genossen es immer wieder, in den Hotelbetrieb zurückzukehren, den sie von der Pieke auf gelernt und ganz allein aufgebaut hatten. Patricia seufzte leise und ließ ihre Augen zufrieden durch die Empfangshalle wandern. Nein, hier war alles in Ordnung. Es schien ihr zeitweise immer noch unglaublich, wie weit sie es gebracht hatten. Ein Schaudern überlief sie, als sie an die Anfangszeiten dachte, in denen ihnen finanziell mehr als einmal das Wasser bis zum Hals gestanden hatte und in denen sie sich oft ratlos gefragt hatte, wovon sie die Zutaten für das nächste Frühstück der Gäste bezahlen sollte. Aber sie hatten es geschafft.
Sie drehte einen Kugelschreiber in der Hand und betrachtete die Aufschrift ihres Hotels darauf, als sähe sie diese zum ersten Mal. Sie grübelte völlig selbstvergessen. Es waren die Gedanken an Oliver, die ihr zu schaffen machten. Ihr Sohn war ihr schwacher Punkt. Nach mehreren Fehlgeburten und einer Operation hatte sie die Hoffnung auf ein eigenes Kind damals schon fast aufgegeben – und dann kam er. Es war wie ein Wunder gewesen. Sie hatte ihr Glück kaum fassen können, er wurde ihr Ein und Alles. Aber wenn sie ganz ehrlich sich selbst gegenüber war, musste sie sich eingestehen, dass nur ihr Mann verhindert hatte, dass sie eine dieser überbehütenden Glucken wurde. Immer wieder war Olivers Vater darauf bedacht gewesen, eine solche Entwicklung zu verhindern. Oftmals hatte er klagend ihre Unterstützung im Hotel eingefordert und behauptet, er komme ohne sie dort nicht klar. In der Erinnerung daran musste sie nun schmunzeln. Natürlich hatten diese Hoteleinsätze seiner Frau seinem Sohn Freiheiten ermöglicht, Dinge zu unternehmen, sich mit Freunden zu treffen, ohne dass seine Mutter ständig hinter ihm stand und alles überwachte. Sie seufzte leicht beschämt. Gleichzeitig war ihr klar, dass niemand sie so glücklich gemacht hätte, wie es Daniel Johnson getan hatte. Er war die Liebe ihres Lebens. Und genau die Einzigartigkeit einer solchen Liebe wünschte sie sich für ihren Sohn. Trotzig schob sie ein wenig die Unterlippe vor. War das verkehrt? Konnte man ihr das verübeln? In ihrem Kopf hallte wie immer Daniels tiefe, weiche Stimme: Das ist sein Leben, Pat. Du musst ihn seinen eigenen Weg gehen lassen. Sie atmete hörbar aus. Das wurde ja immer besser! Jetzt diskutierte sie schon in Gedanken mit ihrem Mann. Sie verbiss sich ein Lächeln, denn zweifellos hatte er schon wieder Recht.
Sarah lachte leise vor sich hin, während sie ihrem Großvater und Wolf nachsah. Es war offensichtlich gewesen, dass Shane McMillan seiner Enkelin Luft zum Atmen und Nachdenken verschaffen wollte, als er Wolf mit so ausgesuchter Höflichkeit eingeladen hatte, ihn zu einer Schafauktion zu begleiten, dass dieser einfach nicht hatte ablehnen können.
Oliver sah erstaunt von seinen Landkarten auf.
»Dir scheint es ja ziemlich gut zu gehen, was?« Er betrachtete ihr Gesicht. Sie hatte schon etwas Farbe bekommen, ihr Haar war vom Wind zerzaust, und ihre Augen blickten so verschmitzt, wie er es noch nie an ihr gesehen hatte.
»O ja. Ich habe einfach wunderbar geschlafen. Die morgendlichen Ausritte mit meinem Großvater sind fantastisch, ebenso das Frühstück – wenn man von Wolfs Anwesenheit einmal absieht. Und dass ich ihn in den nächsten zwei Tagen nicht sehen muss, ist ein Geschenk der Ruhe.« Ihr Lächeln vertiefte sich wieder, und ihre Augen blitzten auf. »Obwohl mir die Vorstellung, ihn in all dem Staub und Dreck herumwaten zu sehen – umgeben von unzähligen blökenden Schafen -, schon wieder so gut gefällt, dass ich fast Mäuschen spielen möchte, nur um zu erleben, wie er leidet.« Ein zufriedener Zug lag um ihren Mund, als sie hinzufügte: »Denn dass er leiden wird, das steht außer Frage.«
Oliver hatte sie mit Freude beobachtet; diese neue, fast schon sprühende Lebendigkeit gefiel ihm. Doch da er immer noch nicht wusste, wie sie letztendlich zu Wolf stand, versuchte er sorgsam seine Gefühle für sie zu verbergen. Er lächelte nachsichtig.
»Was bin ich froh, dass wir auf einer Seite stehen. Was würdest du denn mit mir machen? Mich zum Rodeo schleppen? Oder mich allein in einer Schulklasse mit
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