Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
Großmutter. Ich freue mich ja so.«
Als Oliver die Treppe hinauflief, zog Heather ihre Enkelin in die Küche. Sarah schaute sie fragend an, doch die sonst so fröhliche Frau sah ernst aus.
»Sag mal, du machst diesen Ausflug mit Oliver doch nicht, um Wolfgang eins auszuwischen, oder?«
Sarah schob ein wenig trotzig die Unterlippe vor.
»Und wenn schon! Glaub mir, Großmutter, der kann sich ruhig ein wenig ärgern.« Sie griff nach einem Apfel, polierte ihn einen Moment nervös mit ihrem Sweatshirtsaum und biss dann hinein. Heather war am Fenster stehen geblieben und wandte sich nach einigen Sekunden um. »Und was ist mit Oliver? Welche Rolle nötigst du ihm dabei auf?«
Sarah ließ verblüfft den Apfel sinken. »Großmutter, ich spiele keine Spielchen. Ich freue mich auf den Ausflug mit Oliver. Ja, und zugegebenermaßen bin ich froh, dass ich Wolf zwei Tage nicht sehen muss, denn er bringt mich noch immer durcheinander, und das gefällt mir nicht.«
»Und Oliver?«
Sarah stutzte. »Wieso? Was soll mit ihm sein? Wir sind wirklich gute Freunde, mehr nicht.«
Heather nickte. »Dann ist ja alles in Ordnung. Weißt du, ich habe Oliver gleich ins Herz geschlossen, und es täte mir Leid, wenn er deine Krise mit Wolfgang ausbaden müsste. Ich glaube, er mag dich sehr.«
Sarah schüttelte den Kopf. »Ja, und ich ihn auch. Aberzwischen Freundschaft und Liebe besteht doch wohl ein Unterschied.«
Heather lächelte plötzlich und legte einen Arm um ihre Enkelin. »Weißt du, was ausgerechnet ein deutscher Philosoph dazu meint? Friedrich Nietzsche sagte einmal: ›Nicht mangelnde Liebe, sondern mangelnde Freundschaft führt zu unglücklichen Ehen.‹«
Eine Stunde später rumpelte der Wagen voll bepackt mit der Ausrüstung auf dem schmalen Weg, der zwischen den Pferdekoppeln lag, davon. Sarah winkte ihrer Großmutter zu, die ihnen von der Veranda aus nachsah. Instinktiv fühlte Heather McMillan, dass dieser Ausflug das Richtige für ihre Enkelin war. Sie brauchte jetzt einfach Freiheit und einen klaren Kopf und sollte sich nicht ständig durch Wolfgangs Anwesenheit unter Druck gesetzt fühlen. Während Heather ins Haus zurückging, schmunzelte sie, als sie an das Gespräch mit Sarah dachte. Wolfgang würde tatsächlich ziemlich überrascht aussehen, wenn er bei seiner Rückkehr feststellen musste, dass Sarah mit Oliver weggefahren war.
Ausgedehnte Weiden gaben den Blick frei zu einem baumbestandenen Bergsaum in der Ferne. Das dunkle Grün der Wälder verlor sich etwa auf halber Höhe der Berge und ging hier in die typisch australischen Landschaftsfarben von sandbeige, goldbraun und braunrot über. Die Sonne schien auf diese weitläufigen Hügel hinab und bot einen interessanten Kontrast zu den dunkel aufziehenden Wolkenfeldern, die Sarah beobachtete. Sie liebte mittlerweile dieses Farbenspiel Australiensund nahm es immer wieder bewusst wahr. Zwischen graublauen Wolkenbergen blitzte ab und zu das Hellblau des Himmels hervor und ließ die Sonnenstrahlen einzeln erkennbar auf die Erde fallen, so wie man es sich vielleicht in einer biblischen Prophezeiung vorstellen mochte.
Sarah seufzte unwillkürlich, was ihr einen besorgten Seitenblick von Oliver eintrug.
»Wird dir die Strecke zu viel?«
Sie schüttelte rasch den Kopf. »Aber nein. Das Gegenteil ist eher der Fall. Ich kann mich gar nicht satt sehen.« Ihre Augen glitten wieder von den ebenen Weiden über die dicht stehenden Bäume bis zur sanft geschwungenen Hügelkette, die vor ihnen lag. »Nimmst du als Australier eigentlich noch diese Weite und diese Farben wahr?«
»Wenn ich mal rauskomme aus meinem Alltagstrott, dann schon.«
»Weißt du, es ist doch irgendwie traurig, wenn man den Blick für diese Schönheit verliert. Wenn es selbstverständlich wird, einfach weil man sich daran gewöhnt.« Ihr wurde bewusst, wie ernst Oliver geworden war. Rasch legte sie eine Hand auf seinen Arm. »Ich meine jetzt gar nicht dich.« Sie streckte die Beine aus und lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze, ehe sie fortfuhr: »Meine Brüder und ich waren einmal mit meinen Eltern im Urlaub auf Teneriffa. Wir hatten ein wunderschönes Ferienhaus am Fuße der Berge, die hinter dem Haus steil aufragten und weiter oben in die Ausläufer des Teide-Gebirges übergingen. Wenn man vor der Finca stand, blickte auf den Atlantik. Ich habe Stundendamit zugebracht, das Meer zu betrachten – wie es bei Wetteränderungen ebenfalls seine Farbe veränderte, wie oben an den Gebirgszügen weiße
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