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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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wieder zugeschlagen wurde. Am Fuß des Treppenhauses drehten Oscar und Ira sich um, als erwarteten sie, dass Caroline selbst hinter ihnen herlaufen würde. Aber es war Samuel, dessen Gesicht rot war und dessen Augen beinahe aus ihren Höhlen sprangen.
    »Ich hoffe, du bist zufrieden mit dir«, brüllte er. »Sie hätte an ihrem eigenen Blut ersticken können. Ist es das, was du willst?«
    Camille starrte ihn an und der Unterkiefer klappte ihr herunter. »Natürlich nicht! Warum sollte ich den ganzen weiten Weg hergekommen sein, um so etwas zu wollen?«
    Samuel umklammerte das Treppengeländer. »Warum bist du gekommen? Um sie mit Fragen zu bestürmen? Um ihr die Fehler vorzuhalten, die sie gemacht hat?«
    »Du benimmst dich, als sei ich ein Eindringling. Ich bin nicht uneingeladen hier aufgetaucht«, antwortete Camille mit zitternder Stimme.
    »Ich werde nicht zulassen, dass du sie weiter bedrängst«, sagte Samuel mit zusammengebissenen Zähnen und schob sich an ihr vorbei.
    »Sie ist auch meine Mutter«, flüsterte Camille.
    Samuel wirbelte herum. »Sie ist nicht mehr deine Mutter, als ich dein Bruder bin. Sie hat dich verlassen, erinnerst du dich? Sie ist eine Fremde für dich und du bist eine Fremde für sie. Denkst du wirklich, du hast hier etwas zu suchen?«
    Tränen schossen Camille in die Augen.
    »Ich habe diesen Brief, in dem sie euch beide hierher eingeladen hat, nie abschicken wollen«, sagte er. »Sie war bereits krank, und ich wusste, dass die Begegnung mit dir sie töten würde.«
    Samuel stöberte in seiner Weste und seine Hände kämpften mit dem Stoff der Tasche. Er zerrte ein braunes zusammengerolltes Stück Leder heraus und schleuderte es Camille entgegen. Es schlug gegen ihr Bein.
    »Hier! Das ist es doch, weshalb du gekommen bist, nicht wahr?«, tobte er. »Da, nimm es.« Samuel eilte an ihr vorbei die Treppe hinunter. Camille, Oscar und Ira schwiegen betroffen, als die Vordertür aufgerissen wurde und dann zukrachte.
    »Er hat recht«, sagte Camille, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie sich bückte, um die Karte aufzuheben. Sie hatte ungefähr die Länge ihres Unterarms, war rötlich und sah uralt aus und sie war mit einer ausgefransten roten Schnur zusammengebunden. Nicht direkt die feierliche Übergabe, die sie erwartet hatte.
    »Hören Sie nicht auf ihn, Schätzchen«, sagte Ira.
    »Aber er hat recht. Ich hätte nicht kommen sollen.« Ein Schluchzen schnürte ihr die Kehle zu.
    »Sie wollte dich hier haben. Sie hat nach dir verlangt«, sagte Oscar. Camille ging weiter die Treppen hinunter und ins Wohnzimmer.
    »Ich dachte, ich wollte herkommen. Ich dachte, ich wollte die Wahrheit über alles wissen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
    Die Gründe ihrer Mutter, fortzugehen und McGreenery zu lieben waren jämmerlich unzulänglich und naiv gewesen. Caroline Rowen hatte ihre Pflichten ihrem Ehemann und ihrem Baby gegenüber der blanken Begierde willen aufgegeben. Um einer abgenutzten ledernen Karte willen. Camille konnte es nicht einmal ansatzweise begreifen. Sie öffnete die Haustür und ein frischer Wind wehte ihr entgegen. Der Glockenturm der Stadt läutete wie zum Zeichen, dass ihr Besuch tatsächlich zu Ende war.
    Draußen, frei von dem Moschusduft, der die Luft mit dem Geruch des Todes erfüllt hatte, trat Camille in einen von einem weißen Lattenzaun umringten Garten. Kniehohes Unkraut wucherte zwischen braunem Gras und spross aus den Ritzen eines fast verborgenen Schieferpfades. Büsche wuchsen über den Zaun, und brüchige, ungeschnittene Zweige wucherten verblüht über die Stangen, an denen sie einmal hochgebunden gewesen waren. Camille sah eine steinerne Bank in der Nähe eines Beetes voller Unkraut. Das Beet hatte ihre Mutter und Samuel wahrscheinlich früher einmal mit Kräutern versorgt. Sie wischte einige verschrumpelte Blätter herunter und setzte sich.
    Eine hohle Grube. So fühlte ihr Magen sich an, als sie zu dem Spitzenvorhang hinaufschaute, der das obere Fenster verhüllte, hinter dem ihre Mutter saß. Eine hohle Grube, vollkommen leer und unmöglich zu füllen. Sie strich mit den Fingerspitzen über das weiche Leder der Karte. Die Absurdität des Ganzen wurde ihr bewusst. Sie hatte diese Karte dringender gewollt, als sie ihre Mutter hatte sehen wollen. Sie war ebenso selbstsüchtig und entschlossen wie McGreenery, und jetzt, da sie die Karte in ihrem Besitz hatte, konnte sie sich nicht einmal überwinden, sie zu öffnen. Angewidert von sich

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