Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
Vom Netzwerk:
fiel auf die Vordertür, wo Ira stand und hektisch winkte.
    »Es ist Ihre Mutter!«, rief er und legte die Hände um den Mund, damit der Wind seine Worte nicht wegriss. »Sie sollten besser reinkommen, schnell!«
    Samuel rannte los, gefolgt von Camille und Oscar. McGreenery blieb am Gartentor zurück. Schweiß perlte auf Camilles Rücken, als sie die letzte Treppe hinaufrannte, die zu dem engen, oberen Stockwerk führte. Sie hörte ihre Mutter husten und keuchen, während Samuel die Tür aufriss. Caroline lag zusammengekrümmt auf dem Boden neben ihrem Schaukelstuhl, und Ira war bereits an ihrer Seite und versuchte, sie hochzuheben.
    »Mutter!«, rief Samuel. Er fasste sie an den Armen und half Ira, sie zu einem Messingbett zu tragen. Camille hob die Decke auf, die auf den Boden gefallen war, und legte sie über die Beine ihrer Mutter.
    Das Taschentuch in Carolines Hand war blutdurchtränkt, Schweiß überzog ihre Nase, ihr Kinn und ihre Stirn. Immer noch hustend rollte sie sich auf die Seite.
    »Camille«, stieß sie hervor.
    »Ich bin hier«, antwortete Camille und zog ihrer Mutter die Decke bis zum Hals hoch. Camille schlug das Herz wie verrückt und ihre Beine fühlten sich schwach an. Sie hatte noch nie jemanden so krank gesehen und es machte ihr Angst.
    Sie dachte an die Geschichte, die zu weben Juanita ihrem Vater geholfen hatte, wie ihre Mutter sich durch die Wehen gekämpft hatte und nach der Entbindung zusammengebrochen war. Das Schwitzen, das Durchbiegen ihres Rückens, das Ringen nach Luft – es spiegelte all das wider, was Camille sich immer vorgestellt hatte, wenn sie an den Tod ihrer Mutter dachte.
    Caroline begann ruhiger zu werden. Ihr Husten verstummte und sie streckte die Hand aus. Camille ergriff sie zögernd. Die Finger ihrer Mutter waren kalt, die Handflächen verschwitzt.
    »Vergib mir«, flüsterte ihre Mutter. Ihre Augen glänzten, als sie Camille anstarrte. »Bitte. Vergib mir.«
    Samuel beobachtete Camille mit solcher Intensität, dass sie sein unausgesprochenes Flehen, sie möge die Bitte ihrer Mutter beantworten, beinahe hören konnte.
    »Ich vergebe dir«, sagte Camille. Überrascht begriff sie, dass es stimmte, selbst nach all dem Verrat und der Heimlichtuerei. Caroline Rowen hatte einen Fehler gemacht, der groß genug gewesen war, um ihrer aller Leben zu verändern, und irgendwie verspürte Camille tatsächlich ein tiefes Bedürfnis, ihr zu vergeben. Sie war nach wie vor ihre Mutter, immer noch die Frau auf dem Porträt im Arbeitszimmer ihres Vaters. Camille hatte immer davon geträumt zu wissen, wie ihre Mutter im Leben gewesen war, statt nur diese eine flache Dimension zu haben. Jetzt, da sie diese Chance bekommen hatte, und sei es auch nur flüchtig, wollte sie nicht, dass es endete, und erst recht wollte sie nicht, dass es mit Groll endete.
    »Ich verzeihe dir«, wiederholte Camille. Die Lippen ihrer Mutter verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, dem Lächeln, das das Portrait eingefangen hatte. Camille kannte dieses Lächeln. Sie drückte die Hand ihrer Mutter und fühlte sich ihr näher. Überhaupt nicht mehr wie eine Fremde.

Kapitel 17

    Lose aufgehäute Erde lag neben einer Grabstelle, während die sanfte Morgensonne sich in hartes Nachmittagslicht verwandelte. Ihre Mutter hatte eine Stunde nach Mitternacht aufgehört zu atmen. Camille hatte ihre Hand gehalten, als ihr Keuchen sich beruhigte und ihr Blick leer wurde. Sie hatte nicht bemerkt, wie fest der Griff der zerbrechlichen Finger ihrer Mutter gewesen war, bis Samuel versucht hatte, ihre Hand von der Camilles zu lösen. Jetzt, weniger als zwölf Stunden später, war das Begräbnis beinahe vorüber.
    Winde wehten dem Pfarrer sein langes, dünner werdendes Haar über die Brille, und die Seiten seiner Bibel flatterten, während er sprach. Eine Menschenmenge von respektabler Größe, gekleidet in gedämpfte Farben, versammelte sich um das Grab. Camilles Kleid war gewaschen und ausgewrungen worden, ihr Haar und ihre Haut hatte sie in einem heißen Seifenbad sauber geschrubbt. Und obwohl Samuel sie gebeten hatte, sich aus dem Schrank ihrer Mutter jedes Kleid zu nehmen, das sie wollte, hatte Camille sich nicht dazu überwinden können. Sie hatte ihr Kleid wieder angezogen, das immer noch leicht feucht gewesen war.
    Camille hatte Oscar untergehakt und ihre Finger waren ineinander verschränkt. Seine Hand war der feste Halt, den sie an diesem Morgen so dringend brauchte. Immer verlässlich, immer für sie da. Camille lehnte

Weitere Kostenlose Bücher