Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
Vom Netzwerk:
sich an ihn und er drückte ihre Hand ganz leicht.
    Ira stand auf ihrer anderen Seite, den Hut in der Hand, während der Wind ihm in sein wirres Haar fuhr. Sie waren Außenseiter, Fremde. Die Leute hatten sie mit neugierigen Blicken bedacht, als sie vom Friedhof gekommen waren, und Camille fragte sich, ob irgendjemand von ihnen die Ähnlichkeit zwischen ihr und der Frau wahrnahm, der sie die letzte Ehre erwiesen.
    Samuel schüttelte dagegen Hände, Menschen klopften ihm ernst auf die Schulter und küssten ihn auf die Wange, und er stand neben dem Pfarrer, an dem Platz, der für die nächsten Verwandten reserviert war. Eifersucht nagte an Camille, aber sie drängte sie beiseite. Es war nicht der richtige Moment und es spielte ohnehin keine Rolle.
    »Wir überantworten den Leib von Caroline Camille McGinty der Erde«, sagte der Pfarrer. Camille umfasste Oscars Hand fester. Sie hatte den zweiten Vornamen ihrer Mutter nie gekannt. War es immer Camille gewesen, oder hatte sie auch den geändert, nachdem sie nach Port Adelaide gekommen war? Sie versuchte, Blickkontakt mit Samuel herzustellen, aber er tat ihr den Gefallen nicht. Er war ihr schon den ganzen Morgen über ausgewichen.
    In der Nacht zuvor, nachdem Caroline gestorben war, hatte Samuel auf der Kante der Matratze ihrer Mutter gesessen und geweint. Camille hatte nicht die Erinnerungen an sie oder die Verbindung wie Samuel, um das Gleiche zu tun. Ihre eigenen Tränen waren geflossen, aber sie hatten nicht ihrer Mutter gegolten. Sie hatten ihrem Vater gegolten, den Erinnerungen an ihn und an ihr unzerreißbares Band. Camille hatte so starrköpfig versucht, stark zu sein, dass sie noch nicht um ihn geweint hatte, wie sie das hätte tun sollen.
    Ihr Vater war derjenige gewesen, der sie nach Albträumen tröstete, niemals Juanita oder ein anderer Hausangestellter. Er hatte ihr jeden Abend vor dem Schlafengehen vorgelesen, und als Camille Shakespeare entdeckt hatte, hatten sie die Rollen gespielt und jeder so ungeheuerliche englische Akzente angenommen, dass sie am Ende in hysterisches Gelächter ausgebrochen waren. Wann immer sie ein neues Kleid trug, bestand er darauf, dass sie nie liebreizender ausgesehen habe. Und bei jeder Abendgesellschaft, zu der sie eingeladen gewesen waren, hatte Camille ihm in den Sekunden, bevor ihr Kutscher ihnen aus dem Wagen half, die Krawatte zurechtgerückt. In all diesen Wochen war Camille nicht in der Lage gewesen loszulassen. Warum sollte sie auch, wenn sie den Stein finden und ihn zurückbringen konnte?
    Wie der Stein tatsächlich funktionieren würde, war ihr immer noch schleierhaft. Der Körper ihres Vaters, wo immer er sein mochte, war zweifellos bis zur Unkenntlichkeit aufgedunsen. Vielleicht hatten ihn Meeresgeschöpfe auseinandergerissen. Die Gedanken waren abscheulich, aber es war eine Tatsache. Wenn der Stein ihn ins Leben zurückbrachte, wie würde er sein? Wo würde er auftauchen? Zweifel nagten an ihr und wuchsen schnell.
    Schließlich wanderte Samuels Blick zu ihr herüber, aber seine Augen glitten an ihr vorbei und hefteten sich auf etwas anderes. Als sie über ihre Schulter schaute, sah sie McGreenery ganz hinten in der Menge. Sein Anblick vertiefte ihre Trauer.
    »Möge sie in Frieden ruhen. Asche zu Asche. Staub zu Staub.« Der Pfarrer warf einen Brocken Erde auf den schlichten Sarg ihrer Mutter. Die Menschen kamen herbei und folgten dem gleichen Ritual und schon bald schien das Klatschen von Erde auf Holz lauter zu sein als der Wind. Camille löste ihre Finger von Oscars. Statt Erde warf Camille eine weiße Rose auf den Sarg, die sie in ihrer freien Hand gehalten hatte.
    »Kommen Sie jetzt, Schätzchen«, flüsterte Ira ihr ins Ohr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Der Abschied von ihrer Mutter war nicht so schwierig gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Schließlich hatte sie sie nur für einen Tag gekannt – wirklich gekannt.
    Iras Hand glitt herunter und wurde durch eine schwerere ersetzt. Oscar. Sie ließ sich von ihm auf das schmiedeeiserne Friedhofstor zuführen. Sie hatten nun, da McGreenery auch in Port Adelaide war, beschlossen, nicht noch eine Nacht zu bleiben. Oscar und Camille hatten die Karte am Abend zuvor enträtselt. Die verzauberten Gravuren hatten sie erneut mit großer Ehrfurcht erfüllt, aber der bernsteinfarbene Blitz und die funkelnden Buchstaben waren nicht zurückgekehrt, als Oscar die Karte vor sie beide hingehalten hatte. Als sie Ira zur Vordertür hereinkommen hörten, hatte

Weitere Kostenlose Bücher