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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Temperaturen tragbares Kleidungsstück, stellte sie besorgt fest. Da sie den riesigen Koffer mit Farbtöpfen, Pinseln, Holzrahmen und Leinen vollgestopft hatte, war nicht viel Platz für andere Dinge geblieben. Sie würde sich in Veracruz luftige Kleidung besorgen müssen, denn ihr war bisher nicht klar gewesen, dass Hitze derart schweißtreibend sein konnte. Ihre geliebten hochgeschlossenen Rüschenblusen fühlten sich auf einmal wie schwere Pelze an.
    Emilia hatte eine Gruppe anderer Mütter um sich geschart, hauptsächlich Mexikanerinnen auf der Heimreise, mit denen sie ausgelassen über Unarten von Kindern und Ehemännern plauderte. Alice beobachtete fasziniert die flatternden Hände und das lebhafte Mienenspiel dieser Frauen, wenn spanische Wörter wie Geschosse aus den Mündern flogen. Ihr lautes Gelächter zog manchmal missbilligende Blicke der Damen aus der ersten Klasse auf sich, was Alice amüsierte, doch sie vermochte aufgrund ihres ruhigeren Wesens und vor allem wegen ihres Desinteresses an einer Familiengründung nicht Teil dieses eingeschworenen Kreises zu werden. Sie verbrachte daher mehr Zeit mit Günter und manchmal auch mit Alberta, die einen Narren an ihr gefressen hatte. Sie rechnete es Emilia hoch an, dass sie keine Anstalten machte, den Gemahl zurückzupfeifen, denn gewöhnlich schlug Alice eifersüchtige Feindseligkeit entgegen, wenn sie mit Ehemännern anderer Frauen allzu gern plauderte. Aber Emilia schien zu wissen, dass Günter vertrauenswürdig war, ja sie ermunterte ihn gar, Alice zu den Tanzveranstaltungen auf dem Schiff zu begleiten, wohl in der Hoffnung, die fehlgeleitete junge Frau würde schließlich doch einen Mann finden, der sie für den Stand der Ehe begeistern konnte. Alice fand ihn nicht, aber sie war dankbar, dass Günters Anwesenheit sie vor aufdringlicher Kontaktaufnahme bewahrte.
    Nach zwei Wochen auf See sahen sie einen weiteren Ozeanriesen an sich vorbeiziehen und winkten den Passagieren auf dem Weg nach Europa aufgeregt zu. Die Grüße wurden durch fröhliches Rufen erwidert. Alice lehnte neben Günter an der Reling. Sie ließen die Sonne auf ihre Gesichter brennen und rauchten.
    »Ich schätze, es dauert ungefähr noch eine Woche, dann sind wir in Veracruz«, sagte Günter, dessen Blick auf den Horizont gerichtet war. Alice verspürte, wie ihr Magen sich zusammenzog. Sie hatte sich an das Leben auf dem Schiff gewöhnt, doch mit jeder Stunde kam sie dem Augenblick näher, da sie es verlassen müsste, um eine unbekannte Welt zu betreten.
    »Ich bin diese Strecke das letzte Mal vor fünfzehn Jahren gefahren«, erzählte Günter. »Damals schickte meine Familie mich nach Mexiko, um dort günstig Edelsteine zu erwerben. Ich verliebte mich in das Land, noch bevor ich Emilia traf. Aber erst diese zweite, noch größere Liebe ließ mich bleiben.«
    Alice klopfte die Asche ihrer Zigarette in den riesigen Atlantik.
    »Mein Bruder liebt Mexiko auch. Es war seine Leidenschaft, seit er Bücher über alte amerikanische Kulturen las. Ich fahre eigentlich nur dorthin, weil ich meinen Bruder liebe. Ansonsten stelle ich mir das Land sehr wild und gesetzlos vor.«
    Günter zog eine nachdenkliche Miene.
    »Das ist es in gewisser Hinsicht auch. Aber mit etwas Geld lässt es sich dort gut leben. Für Künstler hat es eine große Anziehungskraft, all diese Farbenpracht, würde ich sagen. Halten Sie sich aus der Politik heraus, Fräulein Wegener, das ist eine Angelegenheit der Einheimischen. Machen Sie sich eine schöne Zeit. Wollen Sie auch nach Chiapas fahren?«
    Alice zuckte ratlos mit den Schultern. Darüber hatte sie sich bisher kaum Gedanken gemacht.
    »Ich will vor allem meinen Bruder wiedersehen und mit ihm ein paar wichtige Dinge besprechen. Dann sehe ich mich vielleicht ein bisschen im Land um, aber spätestens im nächsten Frühjahr muss ich wieder in Berlin sein, um meine nächste Ausstellung vorzubereiten.«
    Günter lächelte sie so nachsichtig an, wie er es manchmal bei seinen Kindern tat, während Emilia zeterte.
    »Immer in der Pflicht, nicht wahr? Im Süden kann man lernen, die Dinge gelassener zu sehen und manchmal einfach sein Leben zu genießen.«
    Alice nickte, denn ihr war nicht nach Streit zumute, obwohl sie derartige Belehrungen hasste. Sie genoss ihr Leben als Malerin, die ausstellen und Bilder verkaufen konnte, und war keineswegs bereit, diese Existenz wegen einer Laune aufs Spiel zu setzen.
    Günter Grünwald behielt recht. Eine Woche später tauchte Land am

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