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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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stets aufflammte, wenn er von seiner Arbeit sprach. »Ein spanischer Mönch, Diego de Landa, ließ 1561 sämtliche ihrer schriftlichen Aufzeichnungen verbrennen, die er für Teufelswerk hielt. Nur vier davon konnten gerettet werden. Die Kenntnis der Schrift starb allmählich aus, da sie verboten war. Nun stehen wir vor den Schriftzeichen wie vor Rätseln.«
    Alice hatte aufmerksam zugehört, obwohl ihr diese Umstände schon aus Patricks Berichten bekannt waren. Sie verstand nicht, warum der Archäologe ihr dies so ausführlich darlegte, wollte ihn aber nicht weiter verärgern, indem sie sich desinteressiert zeigte.
    »Hat dieser Diego de Landa nicht auch einen Code hinterlassen, wie die Schrift zu entschlüsseln wäre?«, fragte sie.
    »Ja, das ist richtig. Den Kolonialherren missfiel sein eigenmächtiges Vorgehen, da sie sich in ihrem Einfluss bedroht fühlten. Er musste nach Spanien zurückkehren, um sich zu rechtfertigen. Er verfasste eine Schrift, die ›Relación de las cosas de Yucatán‹. Darin sind einige Hinweise enthalten, wie die Maya-Schrift zu entschlüsseln ist. Nur haben sie bisher nicht wirklich geholfen.«
    Alice schlang die Arme um die Knie. Allmählich begann das Gespräch sie wirklich zu interessieren.
    »Ich bezweifle, dass die Indios ihm damals allzu viel verraten hätten«, meinte sie. »Und er bemühte sich während seines Aufenthalts in Mexiko sicher nicht sonderlich, Schriften lesen zu lernen, die er für Teufelswerk hielt. Entweder er phantasierte etwas zusammen, um sich klüger zu zeigen, als er war, oder er fiel auf Lügen herein, die einige Mayas ihm damals auftischten.«
    »Möglich, durchaus möglich«, gab Dr. Scarsdale zu und fuhr sich mit der Hand durch seine spärlichen Haare. »Aber dann stehen wir völlig ratlos da.«
    Alice stieß ein leises Lachen aus.
    »Also, wäre ich eine Indio-Frau, so würde ich uns Europäer für sehr merkwürdig halten. Zuerst nutzen wir all unsere Möglichkeiten, um eine Kultur zu zerstören, und dann zerbrechen wir uns den Kopf, wie wir diese Kultur wieder rekonstruieren können. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie uns in einem vernichteten Zustand nicht mehr gefährlich werden kann und nur wie eine Kuriosität bestaunt wird.«
    Dr. Scarsdale runzelte die Stirn.
    »Das ist eine sehr zynische Sichtweise der Dinge. Die Wahrheit ist, dass die Indianer hier in allzu großer geistiger Abstumpfung leben, um sich über solche Dinge überhaupt Gedanken machen zu können. Sie haben nicht das geringste Interesse an meiner Arbeit hier gezeigt.«
    Alice verkniff sich die Bemerkung, dass es vielleicht an der Art lag, wie die Indios behandelt wurden. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, den Arbeitern zu erklären, worum es hier eigentlich ging.
    »Andrés Uk’um hat Interesse an den Untersuchungen der Ruinen«, sagte sie stattdessen.
    »Ja … ja … und vielleicht könnte er tatsächlich helfen. Wir sind mitten im Dschungel, und ich wüsste niemanden, der seine Anwesenheit hier den Bohremanns oder anderen Autoritätspersonen melden würde. Natürlich wird er selbst sehen müssen, was er tut, wenn meine Arbeiten hier beendet sind, aber bis dahin … Also, ich habe beschlossen, Ihren Vorschlag anzunehmen.«
    Zum ersten Mal sah Alice den Archäologen strahlend lächeln. Seltsamerweise war der Anblick ihr unangenehm, denn er passte nicht zu seiner trockenen, vergeistigten Art. Sie wich seinem Blick aus, fing sich dann wieder und lächelte ebenfalls.
    »Das freut mich sehr«, sagte sie höflich.
    »Gut, dann verraten Sie mir bitte, wo er jetzt ist, damit wir ihn holen können.«
    Alice hörte ein Drängen in seiner Stimme, bei dem ihr unwohl wurde. Beging sie einen Fehler, wenn sie diesem abenteuerlustigen Bücherwurm vertraute?
    »Ich weiß nicht, wo er sich im Augenblick aufhält«, erwiderte sie wahrheitsgemäß. »Aber ich werde dafür sorgen, dass er Ihre Botschaft erhält. Dann kann er entscheiden, ob er Ihr Angebot annimmt.«
    Ein Schatten huschte über Dr. Scarsdales Gesicht, wurde aber von einem weiteren, etwas ehrlicheren Lächeln verdrängt.
    »Nun gut, Miss Wegener, lassen wir ihn selbst entscheiden. Ich würde es aber begrüßen, wenn Sie in Zukunft auf Unternehmungen hinter meinem Rücken verzichten.«
    Dies versprach sie. Nach ihren letzten Erfahrungen war ihr jegliche Lust darauf vergangen. Der Archäologe nickte zufrieden.
    »Gut, dann lasse ich Sie wieder allein. Im Übrigen scheinen Sie sich verletzt zu haben. Ihr linkes Auge sieht geschwollen

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