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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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in der Nähe der Ruinen. Doch er wies nicht auf diesen Umstand hin, obwohl er sicher klug genug war, ihn zu erkennen. Stattdessen nickte er Alice nur kurz zu, was eine Aufforderung zum Gehen war. Sie begriff, dass sie nicht sehen sollte, wie er die ermordete Modesta hochhob.

Als Alice das Lager erreichte, dämmerte bereits der Morgen. Sie hatte an dem kleinen Bach haltgemacht, um sich das Blut aus dem Gesicht zu waschen. Ihr Magen schmerzte von Martins Tritten, und vermutlich würde sie bald schon ein paar Schwellungen und blaue Flecken bekommen, doch ihr Spiegelbild auf der flüssigen Oberfläche schien einigermaßen vorzeigbar. Mit etwas Glück würden ihr Fragen erspart bleiben, denn Dr. Scarsdale achtete wenig auf Äußerlichkeiten.
    Alice trat entschlossen aus dem Dickicht des Urwalds, ging an der Palastruine vorbei und dann die drei großen Tempel entlang. Sie sah, wie die Arbeiter zu Füßen der uralten Bauwerke an Lagerfeuern saßen, wo Tortillas aufgewärmt wurden, während das Kaffeewasser in Töpfen köchelte. Als Alice an ihnen vorbeiging, fühlte sie neugierige Blicke auf sich ruhen und begriff, dass sie eine Erklärung für ihr nächtliches Verschwinden finden müsste, falls es unmöglich sein sollte, die Wahrheit zu sagen.
    Mariana kam ihr entgegengelaufen, unmittelbar gefolgt von Julio.
    »Señorita, wo kommen Sie her? Wollten Sie wieder allein am Bach baden, wo es keiner mitbekommt?«
    Er sprach lauter als notwendig, und Alice verstand, dass er ihr eine Notlüge anbot.
    »Ja, ich konnte nicht schlafen, weil es so heiß war, und deshalb wollte ich mich ein wenig frisch machen«, entgegnete sie, ebenfalls in deutlich vernehmbarer Lautstärke. Die Arbeiter blickten in ihre Richtung und begannen zu tuscheln und zu lachen. Alice, die es in diesem Moment für einen Segen hielt, ihre Scherze nicht verstehen zu können, straffte wütend die Schultern.
    Dr. Scarsdale saß vor seinem Zelt und frühstückte. Sein persönlicher Diener, ein Indio in Julios Alter, schenkte ihm gerade Kaffee ein, der separat gekocht wurde und mit Milch versehen war, wie der Archäologe es mochte.
    Alice kam so entspannt wie möglich auf ihn zu und lächelte.
    »Guten Morgen, Dr. Scarsdale.«
    Er zog erstaunt die Brauen hoch.
    »Sie sind schon auf? Gewöhnlich schlafen Sie länger.«
    Er hatte nicht gehört, was sie gesagt hatte. Das überraschte Alice nicht besonders, denn er achtete wenig auf seine Umwelt, falls es sich nicht um Ruinen handelte.
    »Ja, heute bin ich früher aufgestanden.«
    Alice setzte sich auf einen Klappstuhl, den er ihr anbot. Sie hatte auf diese Weise schon einige Male mit ihm gefrühstückt. Nun wurde auch ihr Kaffee mit Milch eingeschenkt, dazu erhielt sie eine frische Tortilla mit Eiern und Bohnen. Alice begann zu essen, obwohl sie keinen Hunger hatte.
    »Ich habe in der Nähe eine kleine Ruine entdeckt.« Sie ging geradewegs auf ihr Ziel los. »Von dort stammen die Figuren, die ich Ihnen manchmal gebracht habe.«
    Er ließ die Gabel sinken. Seine Augen bekamen eine klare blaue Farbe, wie immer, wenn er aufgeregt war.
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Wo ist die Ruine? Es ist übrigens nicht ganz ungefährlich, allein durch den Dschungel zu laufen. Sie hätten schon viel früher mit mir reden sollen.«
    Alice fragte sich, ob er ihr den Vorwurf wirklich deshalb machte, weil sie sich in Gefahr begeben hatte. Es schien wahrscheinlicher, dass er verärgert war, nicht sofort über eine wichtige Fundstätte informiert worden zu sein. Doch ihrem Plan kam dies entgegen.
    »Es gibt jemanden, der diese Ruine noch bis vor Kurzem bewohnt hat«, fuhr sie fort. »Ich war also nicht allein dort. Und er hat mir die Statuen gegeben, sie auch gesäubert und sich überhaupt sehr gut um sie gekümmert. Ich denke, dies ist ein Mann, der bei der Erforschung der Fundstücke nützlich sein könnte.«
    Das Leuchten von Dr. Scarsdales Augen wurde zu einem schwachen Glimmen. Sie las Staunen darin, ein wenig Misstrauen, aber auch reges Interesse.
    »Es geht mich nichts an, in welche Abenteuer Sie sich hier stürzen wollen, Miss Wegener. Aber für gewöhnlich suche ich mir meine Mitarbeiter selbst aus«, erwiderte er trocken, um nach kurzem Zögern hinzuzufügen. »Wer ist denn dieser Mann?«
    Sie nahm einen Schluck Kaffee, um Zeit zu gewinnen. Aus den Augenwinkeln sah sie sich um. Die Männer machten sich unter den lauten Rufen der Aufseher für die Arbeit fertig und hatten Alice völlig vergessen. Der persönliche Diener

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