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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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aus.«
    Sie legte die Finger auf die erwähnte Stelle und zuckte unter dem stechenden Schmerz zusammen.
    »Ich habe mich an einem Ast gestoßen, als ich durch den Dschungel lief«, log sie schnell.
    »Ja, das kommt leider manchmal vor. Bitten Sie Ihren Indio-Jungen, Ihnen heilende Kräuter zu besorgen. Darin kennen die Indianer sich aus. Und geben Sie mir Bescheid, wenn Sie von Andrés Uk’um gehört haben.«
    Er erhob sich rasch und ging hinaus. Alice saß eine Weile reglos da, dann stieg Freude in ihr hoch. Sie konnte bleiben, um weiter an der Erforschung der Ruine mitzuarbeiten. Gemeinsam mit Andrés Uk’um. Und vielleicht würde sich eine Spur finden lassen, die zu Ix Chel führte.
    Zwei Wochen später hatte Andrés die Beaufsichtigung der Arbeiter übernommen, was dazu beitrug, dass sie weniger murrten und die Befreiung der Ruinen aus den Klauen des Dschungels deutlich schneller vonstattenging. Er ließ Holzgerüste errichten, die es erleichterten, höher gelegene Teile der Mauern zu erreichen, und entwarf gemeinsam mit Dr. Scarsdale einen Plan, wie ein Gebäude nach dem anderen zunächst auf Fundstücke untersucht werden sollte, die man aufzeichnen und sorgfältig aufbewahren musste. Anschließend galt es, Fotografien und Skizzen der Wandbemalungen anzufertigen, mit möglichst genauen Hinweisen, wo diese sich befanden. Über deren Bedeutung konnte spekuliert werden, wenn die ersten Forschungsarbeiten beendet waren, entschied er, und es wurde hingenommen. Dr. Scarsdale schätzte jeden, der ihm bei seiner Arbeit weiterhalf. Alice staunte, als ihr ein Eintrag in Patricks Tagebuch wieder einfiel. Nachdem ihr Bruder den klugen Indianer damals zum Aufseher befördert hatte, war der Archäologe keineswegs begeistert gewesen, da dies für Unruhe gesorgt hatte. Sie erwog kurz, ihn darauf anzusprechen, verwarf den Gedanken aber wieder. Es war schließlich nur Patricks subjektiver Eindruck gewesen. Die anderen Aufseher akzeptierten Andrés. Sie waren selbst teilweise indianischer Abstammung, und sein Geschick, die Dinge systematisch anzupacken, konnte nicht ignoriert werden.
    Sie aßen nun stets zu dritt in Dr. Scarsdales Zelt. Die anderen Indios nahmen Andrés’ privilegierten Status ohne Murren hin, da er ihn wirklich verdiente. Falls es den Aufsehern missfiel, so bekam Alice nichts davon mit.
    »Dies, würde ich sagen, stellt eine Unterwerfung anderer Stämme dar«, sagte Andrés und wies auf eine Kopie eines großen Reliefs aus dem Palasthof, das Alice vor einiger Zeit angefertigt hatte. »Die Gefangenen knien und schauen ehrfurchtsvoll hoch.«
    Dr. Scarsdale nickte.
    »Ja, das dachte ich mir auch. Die bildlichen Darstellungen sind nicht so schwer zu deuten. Doch wir wissen nicht, welcher Stamm es war, der sich den Herren von Palenque unterwarf. Auf welche Weise er besiegt wurde und wann. Ich bin mir sicher, dass die Inschriften an den Wänden davon erzählen. Nur gibt es niemanden mehr, der sie lesen kann.«
    Er warf Andrés einen eindringlichen Blick zu, als hoffe er auf ein Wunder. Alice sah, wie der Indianer die Stirn runzelte und dann lächelte.
    »Lo siento. Es gibt meines Wissens wirklich niemanden mehr. Den meisten meiner Leute ist nicht einmal mehr bewusst, dass diese riesigen Bauwerke von ihren Vorfahren errichtet wurden. Doch wenn es eine spanische Übersetzung eines der erhaltenen Maya-Texte gäbe, so könnte man versuchen, Zusammenhänge zu erschließen. Vielleicht sind die Zeichen Symbole. Falls sie Buchstaben ausdrücken wie die lateinische Schrift, so sollte eine Rückübersetzung angefertigt werden. In Tzotzil oder Tzeltal oder am besten in den Dialekt der Chol, die hier leben. Ich glaube nicht, dass unsere Sprachen sich so stark verändert haben. All das könnte dazu beitragen, die Schrift zu entschlüsseln.«
    Dr. Scarsdale lauschte aufmerksam und kratzte sich am Kopf.
    »Sie beeindrucken mich, Señor Uk’um. Offen gesagt, habe ich den Mexikanern, den Indios vor allem, nicht besonders viel analytisches Denkvermögen zugetraut. Auch an Organisationstalent scheint es weitgehend zu mangeln.«
    Alice zuckte zusammen. Diese Aussage konnte als Beleidigung gedeutet werden, doch Andrés verzog keine Miene.
    »Mit Verlaub, Dr. Scarsdale«, sagte er in seinem fließenden Amerikanisch, »ich verstehe, warum Sie diesen Eindruck gewannen. Doch hätten Gebäude wie diese, in deren Schatten wir hier sitzen, ohne jedes Organisationstalent gebaut werden können?«
    Sie unterdrückte ein Grinsen, als sie den

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