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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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er ihr ins Ohr. Alice schlang die Arme um seinen Hals.
    »Jetzt müsste ich mich eigentlich bedanken.«
    »Aber es war wunderschön, dir zuzusehen«, erwiderte er und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar.
    Alice schloss die Augen, schmiegte ihre Stirn gegen die Stelle an seiner Kehle, wo der Herzschlag pulsierte, und streichelte noch eine Weile seinen harten Körper. Andrés war ihr dritter Liebhaber, aber der erste, in dessen Armen sie einschlief.
    Am nächsten Morgen schickten sie Julio mit den erworbenen Schaufeln und Seilen zu Dr. Scarsdale zurück, ebenso mit der Entschuldigung, dass Alice sich noch eine Weile die Landschaft ansehen wolle und dabei Andrés als Begleitschutz brauche. Die zwei Esel und auch den Karren gaben sie ihm mit, um alle erworbenen Güter mühelos transportieren zu können. Alice wollte Dr. Scarsdale nicht das Gefühl geben, dass sie sein Eigentum stahl, denn er hatte während der Reise schon genug für sie bezahlt. Sie gingen beide davon aus, dass der Archäologe zwar nicht begeistert wäre, ihre Abwesenheit aber in der Hoffnung auf weitere finanzielle Unterstützung durch die Schwester seines verstorbenen Partners hinnehmen würde. Die Grabungen würden ihn auf jeden Fall zu sehr beschäftigen, als dass er Zeit für eine Verfolgung hätte. Alice beschloss nach einigem Überlegen, Mariana mit Julio zurückzuschicken. Der Hund war tatsächlich keine Kämpfernatur, und Andrés wies sie darauf hin, dass ihm bei einer Reise in die Tiefen des Dschungels Gefahren durch giftige Schlangen und Raubtiere drohten. Sie staunte, wie schmerzhaft es war, den kleinen Körper in die Arme des Jungen zu drücken, doch sie tröstete sich mit der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.
    Von Alice’ letztem Geld erwarben sie ein Maultier, auf dem sie reiten würde. Andrés war bereit, zu Fuß zu laufen. Julio wies ihnen den Weg in das Dorf, in dem Ix Chels Familie lebte. Allein der Gedanke, dass sie kein Geld mehr für Aguardiente hatten, beunruhigte Alice, denn es wäre nun nicht mehr so leicht, Ix Chels Bruder für ihre Interessen zu gewinnen.
    Die Frau des Ladenbesitzers hatte ihnen freundlicherweise zahlreiche Tortillas eingepackt, die unterwegs ihren Magen füllten. Zum ersten Mal musste Alice im Freien schlafen, ohne Moskitonetz und Hängematte, doch die Anwesenheit von Andrés schenkte ihr ein wenig Ruhe. Er blieb die meiste Zeit wach, um auf mögliche Raubtiere und sonstige Gefahren zu achten, und sie schlief im Schutz seines Rückens. Am nächsten Tag hatten Flohbisse ihre Füße in mit roten Flecken übersäte Klumpen verwandelt, und ihre Augen waren von Mückenstichen verquollen. Andrés führte sie zu einem Bach, wo sie ihren Körper kühlen konnte. Mit einem kleinen Messer schnitt er unter ihren rechten Fußnagel, weil dort der Sandfloh, Nigua genannt, angeblich Eier abgelegt hatte. Wurde der Eiersack nicht gleich entfernt, drohten böse Geschwüre. Alice wusste nicht, was schlimmer war, der kurze Schmerz oder jene Vorstellung. Dann musste es weitergehen. Die Ungeduld, Ix Chel treffen zu können, und das Vertrauen auf Andrés’ Fähigkeiten ließen Alice die drei Tagesreisen in das Dorf einigermaßen gefasst überstehen. Sie erreichten kurz vor Sonnenuntergang jene Ansammlung von Hütten aus aneinandergereihten, dünnen Baumstämmen, die mit Grasdächern bedeckt waren. Hier in der Tierra caliente, wie die heißesten Regionen Mexikos genannt wurden, verwendete man keinen Lehm zum Hüttenbau, da es nicht nötig war, die Wände gegen Kälte abzudichten. Ein Dickicht aus Dornenhecken umschloss diese Siedlung wie ein gescheiterter Versuch, eine Mauer zu errichten, die ohnehin niemanden abwehren konnte. Hier also war Patricks Geliebte aufgewachsen.
    Einige Indianerinnen saßen mit Webstühlen vor den Hütten oder stickten, als wollten sie das letzte Tageslicht nutzen. Andere rieben bereits den Mais in der Metate, um ihren Männern eine Mahlzeit auftischen zu können, wenn sie von den Milpas, wie die Felder genannt wurden, zurückkamen. Abgesehen von ein paar Greisen, die rauchend unter einem großen Baum hockten, und spielenden kleinen Jungen waren nur Frauen zu sehen. Alice bemerkte, wie sich alle ihnen zuwandten, als sie auf dem schmalen Pfad aus dem Dickicht der Bäume herauskamen. Gespräche verstummten, die Arbeiten wurden unterbrochen, und selbst die Kinder schienen die Freude an ihrem Spiel mit einem Strohball zu verlieren und flüchteten in die Sicherheit der Hütten. Andrés gab Alice ein

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