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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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denn ihr Magen war gut gefüllt, und sie hoffte, so trotz ihrer Aufregung besser schlafen zu können. Auch Andrés trank, doch er beschränkte sich auf ein Glas. Julio bekam ebenfalls eines. Danach alberte er ausgelassen mit den Söhnen des Ladenbesitzers herum, während Andrés unter dem Tisch nach Alice’ Hand tastete und sie mit seinem warmen Griff umschlang. Ihr wurde bewusst, dass sie die folgende Nacht nicht mehr im Lager verbringen würden, sondern unter dem Dach von Leuten, von denen sie sich am nächsten Tag bereits verabschieden konnten. Für einen winzigen Augenblick war sogar Ix Chel vergessen.
    Eine Weile später stiegen sie die Stufen hoch, gefolgt von Julio und Mariana. Kaum war die Tür aufgegangen, wirkte das Zimmer entsetzlich klein. Andrés scharrte mit seiner Sandale auf dem Boden und wich Alice’ Blick aus. Mariana schnüffelte in allen Ecken.
    »Also, zu dritt passen wir nicht auf das Bett«, rief Julio in das allgemeine Schweigen. »Aber das macht nichts, denn ich kann bei den Jungen schlafen. Das haben wir schon ausgemacht.«
    Alice nickte kurz. Sie wusste nicht, ob er dies aus Rücksichtnahme tat oder wirklich bei seinen neuen Freunden übernachten wollte.
    »Den Hund nehme ich mit. Er kann da unten im Kellerraum sicher ein paar Ratten fangen«, sagte Julio, bevor er gemeinsam mit Mariana, die noch nie besondere Talente als Jägerin gezeigt hatte, durch die Tür entschwand. Auf einmal wurde es gespenstisch still, nur aus der Ferne erklang der heisere Gesang einer Frau.
    Alice trat einen Schritt zurück. Sie hatte sich so oft ausgemalt, wie es wäre, mit Andrés allein in einem Raum zu sein, wo sie ein paar Stunden lang ungestört wären. Nun wagte sie nicht, sich auf das Bett zu setzen.
    Andrés rieb sich die Hände an seinen Hosenbeinen ab. In der Küche hatte es erwartungsgemäß keine Servietten gegeben.
    »Du … du wirst wieder abreisen, wenn alles hier geklärt ist, nicht wahr?«
    Alice vermochte nicht zu glauben, dass ein Mann in einer solchen Lage diese Frage stellte. Bei Andrés sah sie sich einer Ernsthaftigkeit gegenüber, die sie bei Liebschaften nicht kannte. Sie machte ihr Angst, denn sie vermochte damit nicht umzugehen.
    »Ja, ich werde abreisen«, gestand sie wahrheitsgemäß. »Ich muss in meine Heimat zurück, um das Erbe meines Bruders zu regeln. Außerdem soll spätestens im nächsten Sommer eine weitere Ausstellung meiner Bilder stattfinden. Ich könnte gar nicht hierbleiben, selbst wenn ich wollte.«
    Er senkte den Blick, und ein Schatten glitt über sein Gesicht. Alice überkam eine Wehmut, die bisher kein Mann in ihr hatte auslösen können.
    »Ich … ich könnte zurückkommen«, begann sie hilflos zu stammeln. »Wenn alles erledigt ist. Mir gefällt dieses Land.«
    Er trat einen Schritt näher, streckte endlich die Hand aus und strich sanft über ihr Gesicht.
    »Warum solltest du gleich wieder über den Ozean fahren? Sobald du zu Hause bist, gibt es genug Dinge, die dich beschäftigen. Du wirst das alles hier nach einer Weile vergessen haben.«
    Alice stampfte mit dem Fuß auf. Warum meinte er, sie so gut zu kennen?
    »Ich habe vor, Mariana mitzunehmen. Und Julio würde ich gern ein paar Jahre in einer Schule finanzieren, damit er ordentlich rechnen und schreiben lernt. Ich glaube, wenn er eine eigene Tienda hätte, wäre er bald erfolgreich.«
    Andrés nickte.
    »Dein Bruder meinte immer, du würdest zwar vor allem für dich selbst leben, hättest aber auch Verantwortungsgefühl gegenüber anderen.«
    Alice trat einen Schritt zurück. Ärger grummelte in ihrem Magen, verbunden mit Schmerz, gegen den sie trotzig ankämpfte. Wenn Andrés sie jetzt nicht wollte, dann konnte er sich auch zum Teufel scheren!
    »Man könnte meinen, Patrick und du habt euch die ganze Zeit vor allem über mich unterhalten«, zischte sie. Andrés’ Gesicht verriet keine Gefühlsregung, als nehme er ihren Ärger gar nicht wahr.
    »Du warst eine wichtige Person in seinem Leben«, sagte er. »Vor Ix Chel vermutlich sogar die wichtigste.«
    Wieder stach eine Nadel in ihr Herz.
    »Ich war wirklich neugierig darauf, dich kennenzulernen«, fuhr er unbeirrt fort. »Frauen wie dich gab es in meinem Dorf nicht. In Ciudad de México vielleicht, aber ich hatte keinen Umgang mit ihnen. Diese Lehrerin, die ich kannte, erwartete natürlich, geheiratet zu werden. Sie dachte, ich würde es schon schaffen, genug Geld für ihre Bedürfnisse zu verdienen, obwohl ich gebürtiger Indio war. Unser derzeitiger

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