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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Zeichen, im Hintergrund zu bleiben, während er auf jene Menschen zutrat, deren Gesichter mit den markanten Nasen und den hohen Wangenknochen dem seinen glichen. Einer der rauchenden alten Männer erhob sich und ging ihm, auf einen Stock gestützt, entgegen. Sie vermutete, dass es sich um den Kaziken handelte, und seine wichtige Miene bestätigte dies. Eine kurze Unterhaltung fand statt, dann wurde Alice herbeigewunken. Sie stieg von dem Esel herab. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, während sie langsam in die Mitte der Hütten trat. Ihr wurde bewusst, dass sie eine verschwitzte, vermutlich stinkende Gestalt war, denn nicht immer waren sie unterwegs auf Bäche getroffen, um sich zu waschen. Sie trug wieder die bequeme Indio-Kleidung, und auf ihrem Kopf ruhte ein breiter Strohhut. Andrés wies sie immer wieder auf die Notwendigkeit hin, ihn aufzusetzen, da sie die stechende Sonne nicht so gut vertrug. Darunter lugten verklebte Haarsträhnen hervor. Insgesamt boten die anwesenden Frauen mit ihren Zöpfen und farbenfrohen Blusen einen gepflegteren Anblick als sie selbst, doch sie wurde trotzdem angestarrt wie ein außerirdisches Wesen. Jene Gesichter, die Andrés noch mit offener Neugier angesehen hatten, verschlossen sich bei ihrem Anblick. Sie meinte, einen Luftzug zu spüren, als würden um sie herum Türen schwungvoll zufallen. Eine Mauer aus Feindseligkeit und Misstrauen blieb zurück. Alice’ Kehle wurde eng, während ihre Hoffnung, die Unterstützung dieser Leute zu gewinnen, endgültig schwand. Sie hörte Andrés in einer fremden Sprache auf den Kaziken einreden, die er offenbar nicht beherrschte, denn er musste immer wieder Pausen einlegen, um nach Worten zu suchen oder seine Hände zu Hilfe nehmen.
    »La Señorita Wegener, hermana de Patrick!«, wurde sie schließlich auf Spanisch vorgestellt und fragte sich, ob das hier überhaupt irgendjemand verstand. Der alte Mann wandte sich ihr zögernd zu. Er war einen halben Kopf kleiner als sie, hatte ein ledriges, faltiges Gesicht mit klugen Augen. Alice bemerkte, dass er nicht so herrisch auftrat wie Andrés’ Vater bei ihrem Besuch in seinem Dorf. Seine Stimme klang sanfter, und er musterte Alice ohne Abneigung, auch wenn er über ihr Auftauchen nicht begeistert schien. Er winkte eine kleine Frau herbei, deren Gesicht ein paar Schattierungen dunkler war als das seine, was einen erstaunlichen Kontrast zu ihrem schlohweißen Haar bildete. Die braunen Augen blitzten neugierig, fast verschmitzt.
    »Das ist seine Frau und Ix Chels Mutter. Sie heißt übrigens auch Ix Chel«, erklärte Andrés. Alice lächelte mit bemühter Herzlichkeit. Sie konnte keinen Grund dafür nennen, aber sie wollte von dieser Frau akzeptiert werden. Ob es ihr gelang, vermochte sie nicht einzuschätzen, doch sie wurde von ihr in eine der Hütten gewunken. Ratlos sah sie sich nach Andrés um, der mit einem kurzen Nicken seine Zustimmung erteilte, ohne ihr zu folgen. Alice duckte sich, um die Hütte zu betreten.
    Im Inneren war es dunkel und verqualmt, denn die alte Ix Chel schien zu kochen. Alice’ Augen begannen zu tränen, und nach ein paar Versuchen, sie trocken zu wischen, brannten sie noch mehr. Sie konnte fast nichts mehr sehen, als sie sich auf einer Petate niederließ. Neben sich erahnte sie andere Lebewesen. Als ihre Augen sich an die schlechte Luft und das dämmerige Licht gewöhnt hatten, entdeckte sie drei kleine Mädchen, die in einer Schüssel Maismehl in Wasser kneteten. Über einer Feuerstelle brutzelten Bohnen, mit denen die Tortillas angereichert wurden, sobald sie fertig waren. Ein Stück daneben stand ein kleiner Hausaltar mit Heiligenfiguren, die Alice in ihrer Schlichtheit und unbeschwerten Farbenpracht an jene Kette mit Marienbild erinnerten, die sie von Señora Duarte zum Abschied erhalten hatte.
    Die alte Ix Chel hockte sich nieder und begann, mit einem Holzlöffel in der Pfanne zu rühren. Alice hörte ihren Magen sehnsüchtig knurren. Ein unverständlicher Wortschwall ergoss sich über sie, während sie von der alten Frau und den Mädchen, die wahrscheinlich ihre Enkelinnen waren, neugierig gemustert wurde.
    »No entiendo«, sagte Alice hilflos, was die alte Ix Chel aber nicht zum Schweigen brachte. Alice vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit verging. Vielleicht, so erwog sie, sollte sie bei der Vorbereitung des Abendessens mithelfen, doch wusste sie nicht so recht, wie. Erst als Holzgeschirr auf dem Boden verteilt wurde, packte sie mit an.
    Eine Weile später

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