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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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miteinander sein. Meine Mutter zum Beispiel hätte mir einfach sagen können, wenn sie mit ihrem Freund alleine sein will. Dann hätte ich bei einer Freundin übernachtet oder so, anstatt ganz woanders zu wohnen, damit die beiden Zeit für Sex haben.
    Als ich Eleanor an diesem Nachmittag anrief, fragte sie mich, welche Musik mir gefiel. Sie mochte diesen Sänger namens Sid Vicious und die Beastie Boys. Jim Morrison war für sie der coolste Mensch, der je gelebt hatte. Eines Tages wollte sie nach Paris fahren und sein Grab aufsuchen.

    Ich dachte mir, dass ich Jim Morrison wohl kennen müsste, und sagte deshalb nichts dazu. Bei meiner Mutter gab es nur einen Kassettenrecorder mit Radio, und ich kannte eigentlich nur die Musik, die sie sich anhörte: Frank Sinatra, die Originalmusik von Guys and Dolls, eine Platte von Joni Mitchell mit dem Titel Blue und einen Sänger mit einer tiefen schläfrigen Stimme, den ich nicht kannte. Einen Song von ihm hörte sie immer wieder.
    You know that she’s half crazy but that’s why you want to be there, sang er. She touched your perfect body with her mind. Obwohl es eigentlich kein wirklicher Gesang war, eher so eine Art Sprechgesang. Ich dachte mir, dass Eleanor dieser Sänger vielleicht gefallen würde, aber sein Name wollte mir nicht einfallen.
    Und so sagte ich, ach, das Übliche, als sie mich fragte, welche Musik ich hörte.
    Das Übliche hat mich noch nie interessiert, erwiderte sie. Auf keinem Gebiet.

    Sie sagte, sie könnte sich das Rad ihres Vaters ausleihen, um sich mit mir zu treffen. Er war zum Golfspielen weg. Und das war nun der Mann, der behauptete, er habe kein Geld, um seine Tochter auf die beste Schule der Welt zu schicken. Aber jedes Wochenende gab er fünfzig Dollar dafür aus, einen Ball durch die Gegend zu schlagen, um ihn in ein Loch zu befördern.
    Ich könnte zu dir kommen, sagte sie.
    Keine gute Idee, erwiderte ich. Meine Mutter und dieser Mann leben hier ziemlich zurückgezogen. Fred.

    Wir könnten uns in der Stadt treffen, schlug sie vor. Auf einen Kaffee.
    Ich offenbarte ihr nicht, dass ich keinen Kaffee trank, sondern sagte, das höre sich gut an. Damals gab es noch keine Cafés wie Starbucks, aber ein Diner, Noni’s, mit Nischen, in denen kleine Jukeboxen standen, an denen man sich die Songs selbst aussuchen konnte. Hauptsächlich Country, aber vielleicht ließ sich auch was für Eleanor finden. Irgendein furchtbar trauriger Song, bei dem jemand völlig depressiv klang.

    Zu Fuß brauchte man zwanzig Minuten in die Stadt. Als ich losging, waren meine Mutter und Frank noch im Badezimmer. Vermutlich trocknete er sie ab oder rieb sie mit Lotion ein. Ich will mich nur um deine Mutter kümmern, hatte er gesagt. So nannte man das also.
    Ich hinterließ eine Nachricht, dass ich rechtzeitig zurück sein würde, bis mein Dad kam. Ich wolle mich mit einem Freund treffen, schrieb ich. Das würde meine Mutter bestimmt glücklich machen.
    Eleanor saß schon in einer der Nischen, als ich in das Diner kam. Sie trug die Haare jetzt offen, allerdings waren sie nicht lockig wie in meiner Fantasie, sondern glatt und fransig. Ihre Augen hatte sie so geschminkt, dass sie noch größer wirkten, und ihr Mund war dunkelviolett. Die Fingernägel waren schwarz lackiert, aber abgebissen, was ziemlich merkwürdig aussah.
    Ich hab meinem Vater gesagt, dass ich mich mit einem Jungen treffe, sagte sie, und da fing er an, mir einen Vortrag
darüber zu halten, dass ich vorsichtig sein soll. Als wolle ich mit dir ins Bett hüpfen oder so. Echt komisch, wie die Eltern heutzutage ständig über Sex reden, als gäb’s nichts anderes im Leben. Projizieren wahrscheinlich nur ihre eigenen Fantasien.
    Sie rührte eine Süßstofftablette in ihren Kaffee. Dann noch zwei. Mein Vater hat keine Freundin, aber er hätte gern eine, sprach sie weiter. Er könnte wahrscheinlich ganz gut aussehen, wenn er mal abnehmen würde. Schade, dass er und deine Mom sich nicht kennengelernt haben, bevor dieser Fred auftauchte. Dann wärst du vielleicht mein Stiefbruder. Wobei das natürlich eine Art Inzest wäre, wenn wir dann heiraten würden.
    Meine Mutter trifft sich normalerweise nicht mit Männern, sagte ich. Diesen Typen hier hat sie durch Zufall kennengelernt.
    Wir versanken eine Weile in Schweigen. Eleanor warf noch mehr Süßstoff in ihre Tasse, und ich versuchte krampfhaft, mir ein Gesprächsthema einfallen zu lassen.
    Ist diese Geschichte mit dem entflohenen Häftling nicht irre?, sagte sie. Mein

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