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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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gute Idee, wenn ich mir den Film ausleihe, sagte ich. Wenn meine Mutter und Frank mitkriegen, dass ich mir den anschaue, kommen sie vielleicht auf komische Gedanken.
    Ich wollte den Film eigentlich auch nicht sehen. Wahrscheinlich hätte ich mich bei der Szene, in der Bonnie erschossen wird, ohnehin wie Eleanors Mutter benommen. Weil es mich an meine eigene Situation erinnerte.
    Kannst du dir vorstellen, dass deine Mutter in einem Hinterhalt erschossen wird?, fragte Eleanor. Und du müsstest dir das anschauen. Dich würden sie vermutlich nicht erschießen, weil du noch nicht erwachsen bist, aber du würdest alles mitkriegen. Das wäre extrem traumatisch für dich.

    Wir standen noch vor der Videothek, als sie das sagte. Eine Frau mit einem Kinderwagen ging vorbei. Ein Mann warf ein Video in den Abgabeschlitz. Die Hitze schien förmlich über dem Asphalt zu wabern. Heiß genug, um ein Spiegelei zu braten, hatte mal jemand gesagt. Wie die Titten von einer Nachtclubtänzerin in Las Vegas. Dein Gehirn unter Drogeneinfluss. Wir waren erst ein paar Minuten draußen, und schon klebte mir das Hemd am Leib.
    Eleanor hatte ihre Sonnenbrille aufgesetzt – die riesigen runden Gläser verdeckten ihr halbes Gesicht –, und sie sah mich an, aber die Brille war so dunkel, dass ich ihre Augen nicht erkennen konnte. Dann streckte sie die Hand aus und berührte mein Gesicht. Ihr Handgelenk war so dünn wie ein Besenstiel. Mit einem Kugelschreiber hatte sie dort eine gepunktete Linie aufgemalt und die Worte hier schneiden daruntergeschrieben.
    Ich habe so ein komisches Gefühl, sagte Eleanor. Es gibt da was, was ich gerne tun würde. Dann hältst du mich vielleicht für sonderbar, aber sogar das wär mir egal.
    Ich halte dich nicht für sonderbar, sagte ich. Eigentlich versuchte ich niemals zu lügen, aber man musste auch mal eine Ausnahme machen können.
    Eleanor setzte ihre Brille ab, klappte sie zusammen und verstaute sie in ihrer Umhängetasche. Sie sah sich kurz um. Dann leckte sie sich die Lippen, beugte sich vor und küsste mich.
    Das hast du bestimmt noch nie gemacht, sagte sie danach. Jetzt wirst du dich immer daran erinnern, dass ich das erste Mädchen war, das du geküsst hast.

    Es war fast fünf, als ich nach Hause kam. Frank und meine Mutter saßen auf der Veranda und tranken Limonade. Meine Mutter hatte die Schuhe ausgezogen und hielt ein Fläschchen roten Nagellack in der Hand. Sie hatte die Beine auf Franks Schoß gelegt, und er lackierte ihre Fußnägel.
    Dein Vater hat angerufen, sagte meine Mutter zu mir. Er ist dann in einer halben Stunde hier. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, dass du nicht rechtzeitig zurückkommst.
    Ich sagte ihr, dass ich gleich fertig sei, und ging nach oben, um zu duschen. In der Dusche lag jetzt Franks Rasierer. Und Rasiercreme. Im Abfluss ringelten sich ein paar schwarze Haare. So war es also, wenn ein Mann im Haus lebte.
    Ich fragte mich, ob die beiden zusammen geduscht hatten, während ich weg war. Das hatte ich in Filmen gesehen. Ich stellte mir vor, wie er hinter sie trat, den Arm um sie legte, den Fleck am Hals küsste, den er ihr gemacht hatte. Ihr die Zunge in den Mund steckte, so wie Eleanor es bei mir gemacht hatte.
    Wasser strömte über ihr Gesicht. Über ihre Brüste. Sie legte die Hand an diese Stelle. Die ich jetzt auch berührte, bei mir.
    Ich dachte an Eleanor und Rachel und Ms. Evenrud, meine Sozialkundelehrerin aus dem letzten Schuljahr, die immer die beiden obersten Knöpfe ihrer Bluse offen ließ. Und an Kate Jackson aus Drei Engel für Charlie und an ein Mädchen, das ich mal im Stadtbad gesehen hatte. Es passte auf ein zweijähriges Kind auf, und als sie zusammen aus dem Schwimmbad stiegen, hatte das Mädchen nicht gemerkt,
dass der Träger ihres Badeanzugs runtergerutscht war und man ihre Brustwarze sah.
    Die Laute von Frank und meiner Mutter, nachts. Ich stellte mir vor, dass es mein Bett war, das nachts an die Wand rumste. Und dass Eleanor bei mir lag, aber eine etwas weniger knochigere Version von ihr mit kleinen Brüsten. Und als ich sie berührte, hörte ich diesen Song, den meine Mutter immer auflegte.
    Suzanne takes you down to her place near the river.
    Wenn man Musik in bestimmter Weise hörte, schien jede einzelne Songzeile von Sex zu handeln. Wenn man die Welt in bestimmter Weise betrachtete, hatte fast alles eine unterschwellige Bedeutung.
    Ich hörte, wie Frank in dem Raum neben dem Badezimmer die Fenster wieder einsetzte, die sie morgens gestrichen

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