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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Bodybuilder oder
ein Superheld. Eher wie eine Abbildung in einem Biologiebuch, Bildunterschrift Mann.
    Ich dachte, wir könnten ein bisschen Ball spielen, sagte er. Ich bin schon so verschwitzt, dass es darauf auch nicht mehr ankommt, und mein Knöchel fühlt sich wieder belastbarer an. Würde mich interessieren, wie’s heute läuft.
    Schwierige Lage. Ich wollte ihn spüren lassen, dass ich wütend war und mich ausgeschlossen fühlte und dass ich die Tricks durchschaute, die er bei meiner Mutter anwandte. Trotzdem mochte ich ihn einfach. Und mir war langweilig. Auf dem Bildschirm war jetzt Jerry Lewis zu sehen, der mit Kinderstimme auf ein Mädchen mit geschienten Beinen einredete, das sich auf einen Rollator stützte.
    Was meint ihr, Freunde, sagte Jerry Lewis mit dieser künstlichen Kinderstimme. Hat Angela nicht eine Chance verdient, so wie wir alle? Zückt eure Scheckbücher.
    Mit Frank Catchen zu üben hatte mir Spaß gemacht. Ich erwartete nicht, dass er mich über Nacht in eine Sportskanone verwandelte, aber es fühlte sich gut an, wie wir den Ball hin und her warfen und wie er dann in meinem Handschuh landete. Unser Rhythmus, er zu mir, ich zu ihm, er zu mir.
    Mir ist noch nie klar geworden, sagte meine Mutter, als sie sich zu uns gesellt hatte, dass Catchen wie eine Art Tanz ist. Du musst dich auf den anderen einstellen, dich ganz und gar auf seine Bewegungen konzentrieren und dann das Timing übernehmen. Wie wenn man mit seinem Partner auf der Tanzfläche ist und man eine Welt ganz für sich allein schafft und sich perfekt verständigt, obwohl keiner ein Wort sagt.
    Wenn Frank mir den Ball zuwarf, stellte er sich bestimmt
nicht vor, wie er mit meiner Mutter schlief oder diese Stelle an ihrem Hals küsste, wo jetzt der Fleck war, oder wie sie jetzt nackt in der Badewanne lag oder was sie nachts so alles in ihrem Bett trieben. Wenn wir Catchen übten, dann dachte er nur ans Catchen.
    Oder aber er bemühte sich, auch mich zu hypnotisieren. Vielleicht versuchte er sogar, mich darauf vorzubereiten, dass ich in Kürze bei meinem Vater wohnen würde und dass mein Vater und Richard dann ständig Catchen üben würden, wobei Richard im Gegensatz zu mir einen Curveball werfen konnte. Frank versuchte mich fit zu machen für die Zukunft, die ich ohne ihn und meine Mutter verbringen musste.
    Hab nicht so rechte Lust, sagte ich. Ich schau mir grade die Sendung an.
    Frank betrachtete mich prüfend. Jerry Lewis gab es in diesem Moment gar nicht für ihn. Nur ihn und mich.
    Hör mal, sagte er. Falls du befürchtest, dass ich dir deine Mutter wegnehmen will: Vergiss es. Es wird niemals einen Tag in ihrem Leben geben, an dem du nicht an erster Stelle stehst für sie, und ich würde niemals versuchen, das zu ändern. Sie wird dich immer mehr lieben als jeden anderen. Ich wäre nur gerne der Mensch, der sich um sie kümmert. Ich werde nicht versuchen, dein Vater zu sein. Aber ich könnte vielleicht ein Freund werden.
    Jetzt kam es. Genau das, wovor Eleanor mich gewarnt hatte. Jetzt würde er tatsächlich versuchen, auch mich zu hypnotisieren. Ich merkte sogar schon, wie es funktionierte, denn ein Teil von mir wollte ihm unbedingt glauben.
Ich musste seine Stimme ausblenden, damit sich die Worte nicht in mein Hirn fraßen.
    Das Mädchen saß jetzt auf Jerry Lewis’ Schoß und redete über ihren kleinen Hund. Auf dem Bildschirm erschien eine Telefonnummer. Draußen hörte ich die Jervis’ an ihrem Pool. Bla bla bla, dachte ich. Plapper plapper plapper.
    Ich weiß, dass ich vieles verpfuscht habe, sagte Frank. Ich habe schreckliche Fehler gemacht. Aber wenn ich noch mal eine Chance geboten bekäme, würde ich alles dafür geben, es diesmal besser zu machen.
    Ene mene mu.
    Rhabarber Rhabarber Rhabarber.
    Ich weiß selbst, dass man Zeit dafür braucht, sagte er. Schau mich doch an. Das Einzige, was ich in den letzten Jahren hatte, war Zeit. Und das einzig Gute daran ist, dass man mal zum Nachdenken kommt.
    Er stand da mit dem Farbschaber in der Hand, in einer alten Hose, die meine Mutter im Keller gefunden hatte und die von einem Clowns-Kostüm stammte, das sie mir vor ein paar Jahren für Halloween genäht hatte. Die Hose musste mal jemandem gehört haben, der sehr dick war, denn sie war mir viel zu weit – was natürlich Absicht gewesen war. Frank reichte sie nur bis zur Mitte der Wade, und im Bund hielt er sie mit einer Schnur zusammen. Er war barfuß, und irgendwie sah er selbst wie ein Clown aus, aber kein lustiger. Das war

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