Der Duft des Sommers
Song, den wir anderen nicht hören konnten. Falls Richard gemerkt hatte, dass mein Vater ihn etwas gefragt hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
Und du, junger Mann?, fuhr mein Vater fort. Lacrosse würde dir guttun. Fußball wäre auch nicht schlecht. Für Football müsstest du wohl noch ein bisschen Fleisch auf die Knochen kriegen, hm?
Football nie und nimmer, sagte ich. Lacrosse auch eher nicht.
Ich hatte mir überlegt, einen Modern-Dance-Kurs zu machen, fügte ich hinzu, nur um mal seine Reaktion zu testen.
Ich glaube, das wäre nicht so eine gute Idee, erwiderte er. Ich weiß, was deiner Mutter Tanzen bedeutet, aber manche Leute könnten da auf falsche Gedanken kommen.
Was denn für falsche Gedanken?
Dein Vater meint, man könnte dich für schwul halten, sagte Marjorie.
Sie könnten aber auch denken, dass ich einfach mit vielen Mädchen in Leotards zusammen sein will, erwiderte ich. Als ich das sagte, schaute Richard auf, woraus ich schloss,
dass er vermutlich alles mitgehört hatte und sich bloß raushalten wollte. Was ich gut verstehen konnte.
Wir hielten vor Friendly’s. Richard sprang aus dem Auto.
Kannst du deine Schwester aus dem Sitz nehmen?, sagte Marjorie.
Ich hatte schon seit langem durchschaut, dass sie auf diese Weise eine engere Beziehung zwischen Chloe und mir fördern wollte.
Ich glaube, du solltest sie selbst nehmen, sagte ich. Kann sein, dass sie eine volle Windel hat.
Ich bestellte immer dasselbe: einen Hamburger und Pommes. Richard nahm einen Cheeseburger, mein Vater ein Steak, und Marjorie, die auf ihre Figur achten wollte, nahm das Wellness-Menü, Salat und Fisch.
Und, freut ihr Zwerge euch wieder auf die Schule?, fragte sie.
Geht so.
Aber wenn es erst mal anfängt, kommt man auch in Schwung. Und dann seht ihr ja auch eure Freunde wieder.
Mhm.
Wird wohl nicht mehr lange dauern, dann trefft ihr Jungs euch mit Mädchen, redete sie weiter. Herzensbrecher wie ihr. Wenn ich noch in der siebten Klasse wäre, fände ich dich bestimmt süß.
Krass, Mom, sagte Richard. Wenn du in der siebten Klasse wärst, gäb’s mich gar nicht. Und falls es mich gäbe und du fändest mich süß, wär das Inzest.
Wo lernen sie denn bloß solche Wörter?, fragte Marjorie.
Sie hatte eine ganz andere Stimme, wenn sie mit meinem Vater sprach, als wenn sie mit Richard und Chloe und mir redete oder sich über meine Mutter ausließ.
Marjorie hat recht, sagte mein Vater. Ihr beide kommt jetzt in diese Lebensphase. Die wilden wunderbaren Jahre der Pubertät, wie es heißt. Wahrscheinlich ist es bald an der Zeit für ein Gespräch von Mann zu Mann.
Hatte ich schon, mit meinem echten Dad, sagte Richard. Dann bleiben wohl wir beide übrig, Sohn, sagte mein Vater.
Ist schon okay, sagte ich. Bin im Bilde.
Deine Mutter hat dir bestimmt das Wichtigste mit auf den Weg gegeben, aber manches muss man von einem Mann erfahren, erwiderte er. So ohne Mann im Haus kann das echt schwierig werden.
Wir haben einen, schrie etwas in meinem Kopf. Und das kann auch echt schwierig werden, wenn dieser Mann nämlich jede Nacht das Bett von meiner Mutter an die Wand rumst. Und mit ihr in die Dusche steigt. Vermutlich trieben sie es just in diesem Moment schon wieder.
Die Kellnerin kam mit der Dessertkarte und räumte unsere Teller weg.
Ist das nicht schön?, sagte Marjorie. Die ganze Familie an einem Tisch zu haben. Und vor allem, dass ihr Jungs mal Zeit füreinander habt.
Richard hatte seine Kopfhörer wieder aufgesetzt. Chloe hatte mein Ohr gepackt und zog daran.
Und, wer hat noch Platz für einen Eisbecher?, fragte mein Vater.
Wie sich herausstellte, nur er und das Baby, wobei Chloe das Eis größtenteils in ihrem Gesicht verteilte. Ich dachte schon jetzt daran, dass nachher vermutlich wieder von mir verlangt würde, das Baby zum Abschied zu küssen. Ich würde dann eine Stelle finden müssen, die nicht mit Schokosoße beschmiert war – ihr Hinterkopf vielleicht oder ein Ellbogen. Und mich dann so schnell wie möglich aus dem Staub machen.
Als ich ins Haus kam, war Frank beim Geschirrspülen, und meine Mutter saß am Küchentisch und hatte die Füße auf einen Stuhl gelegt.
Deine Mutter ist echt eine Wahnsinnstänzerin, sagte Frank. Ich konnte nicht mithalten. Die meisten Menschen würden bei einem solchen Wetter nicht auf die Idee kommen, den Lindy Hop zu tanzen. Aber sie ist auch nicht wie die meisten Menschen.
Ihre Schuhe – ihre Tanzschuhe – lagen unter dem Tisch, und ihre Haare wirkten feucht –
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