Der Duft des Sommers
bisschen verrückt war sie auch, aber das konnte mir nur recht sein. Wäre sie ein ganz normales Mädchen gewesen, dann hätte sie schon kapiert – oder würde es jedenfalls bald merken –, dass es ihrem sozialen Ansehen in der Schule schaden würde, sich mit mir abzugeben. Ich hatte ihr das schon in der Bibliothek gesagt, aber sie hatte mich nur angeschaut.
Wenn die Schule losgeht und du wirst da mit mir gesehen, hatte ich gesagt, werden die beliebten Schüler dich für eine Spinnerin und Vollniete halten.
Und warum sollte ich wohl mit solchen Typen befreundet sein wollen?, hatte sie erwidert.
Jetzt stellte ich mir vor, wie wir uns wieder küssten, diesmal aber nicht im Stehen, sondern liegend. Sie umfasste meinen Kopf und strich durch meine Haare. Eleanor kam mir vor wie eine Streunerkatze, halbverhungert und rastlos und so wild, als käme sie direkt aus den Wäldern. Vielleicht lief sie weg. Vielleicht warf sie sich aber auch auf einen. Man
wusste nie genau, ob sie einem übers Gesicht lecken oder einem die Haut blutig kratzen würde.
Ich stellte mir vor, wie sie ihr T-Shirt auszog. Sie trug nicht mal einen BH. Den brauchte sie auch nicht. Dabei war sie nicht total flach, wie ich vermutet hatte, sondern hatte tatsächlich kleine Brüste mit rosigen Brustwarzen, die erstaunlich hervorstanden, wie kleine Druckknöpfe.
Du darfst sie küssen, sagte Eleanor.
Das tat Frank vermutlich im Nebenzimmer gerade bei meiner Mutter, aber daran wollte ich nicht denken. Ich schaltete zurück auf den Eleanor-Sender.
Wo möchtest du meinen Mund gerne spüren?, fragte sie.
Morgens wieder der Kaffeegeruch. Frank hatte in dem Gestrüpp am Rande unseres Grundstücks wilde Blaubeeren gefunden und damit Pancakes gemacht. Schade, dass wir keinen Ahornsirup haben, sagte er. Bei seinen Großeltern auf der Farm hatten sie die Bäume angezapft und jedes Jahr im März aus dem Saft Sirup oder Brotaufstrich gekocht.
Ich werde schuften wie ein Pferd, sobald wir in Kanada sind, sagte er. Ich will, dass ihr alles haben könnt. Eine schöne Küche. Eine Veranda. Ein Hochbett, von dem man durchs Fenster auf Wiesen schauen kann. Und im nächsten Sommer werd ich einen Garten anlegen.
Du und ich, mein Junge, sagte er. Wir werden Baseball spielen, was das Zeug hält. Im nächsten Frühjahr hab ich dich so weit, dass du ein Gewehrgeschoss halten könntest, wenn’s in deinem Handschuh landet.
In Filmen gibt es eine ganz bestimmte Art von Szenen, mit denen gezeigt werden soll, wie Leute sich verlieben. Butch Cassidy und Sundance Kid ist ein gutes Beispiel, aber es gibt noch viele mehr. Die Geschichte wird nicht detailliert erzählt, sondern man hört irgendwelche romantische Musik und sieht, wie zwei Leute furchtbar viel Spaß miteinander haben: Sie fahren zusammen Rad, laufen händchenhaltend über eine Wiese, essen Eis oder fahren Karussell. Sie sitzen im Restaurant, und er füttert ihr Spaghetti von seiner Gabel. Sie rudern zusammen, und das Boot kentert, aber als sie wieder auftauchen, lachen sie fröhlich und keiner ist ertrunken. Alles ist wunderbar, und selbst wenn was schiefläuft – wie das kenternde Boot –, bleibt trotzdem alles noch wunderbar.
An diesem Tag hätte man von uns solche Bilder zeigen können – nur ging es da nicht um zwei Leute, die sich verlieben, sondern um drei Leute, die eine Familie werden. Kitschig, aber wahr, von den Pancakes angefangen bis zum Abend.
Nachdem wir das Geschirr gespült und weggeräumt hatten, übten Frank und ich wieder eine Weile Catchen, und er sagte mir, dass ich schon viel besser sei – was wirklich stimmte. Dann kam meine Mutter raus, und wir wuschen zu dritt das Auto, und kurz bevor wir fertig waren, richtete meine Mutter den Wasserschlauch auf Frank und mich, und wir wurden klatschnass, aber weil es so heiß war, tat das richtig gut. Dann entwand Frank meiner Mutter den Schlauch und spritzte auch sie so nass, dass sie reingehen und sich umziehen musste. Sie sagte, wir sollten auch reinkommen
und unten auf sie warten, und dann machte sie eine Modenschau. Eigentlich tat sie das für Frank, aber mir gefiel es auch, wie sie in einem Outfit nach dem anderen durchs Zimmer stolzierte wie ein Model auf dem Laufsteg oder ein Mädchen bei der Miss-America-Wahl.
Viele Sachen, die sie uns vorführte, hatte ich noch nie an ihr gesehen – wahrscheinlich, weil sie keine Gelegenheit gehabt hatte, sie zu tragen. Man merkte Frank an, dass er das toll fand, und mir ging es genauso. Sie sah so
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