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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Kaffeemaschine.
    Wir würden ihren Kassettenrecorder mitnehmen, aber nicht den Fernseher. Den hatte ich eingeschaltet, als ich runterkam, um mich zu beschäftigen, während ich meine Frühstücksflocken aß. Jerry Lewis hatte sich endgültig von der Show verabschiedet, aber jetzt übernahmen Regis und Kathie Lee.
    Dieser Radau wird mir nicht fehlen, sagte meine Mutter über den Fernseher. Auf Prince Edward Island werden wir nur den Vögeln zuhören. Und weißt du, was wir machen werden, Henry?
    Wir kaufen dir eine Geige. Und suchen uns einen alten kanadischen Geiger, der dir Unterricht geben kann.
    Ihr Cello nahm sie nicht mit, weil es ihr eigentlich nicht gehörte, obwohl ich fand, dass wir schon so übel gegen das Gesetz verstießen, indem wir Frank mit über die Grenze
nahmen, dass es auf den Diebstahl eines geliehenen Cellos vielleicht nicht angekommen wäre. Macht nichts, sagte meine Mutter. Ich kann mir dort eins besorgen. Ein richtiges großes. Dann können wir zusammen musizieren, wenn du erst mal Geige spielen kannst.
    Was sie ungern zurückließ, war unser Jahresvorrat an Haushaltstüchern, Toilettenpapier und Suppendosen, aber Frank meinte, dafür hätten wir keinen Platz im Auto und würden außerdem an der Grenze Verdacht erregen, falls man uns anhalten sollte. Meine Mutter könne ein paar Kleider mitnehmen, aber nicht alle.
    Von all ihren schönen Tanzkostümen – glitzernde Röcke und Tücher, Hüte mit Seidenblumen, Stepptanzschuhe und ihre weichen Ballerinas und die hochhackigen Pumps, die sie zum Tangotanzen getragen hatte – sollte sie nur ihre Lieblingssachen aussuchen, mehr konnten wir nicht mitnehmen.
    Auf unsere Fotoalben wollte sie jedoch nicht verzichten. Nicht die aus ihrer eigenen Kindheit, sondern sechs Lederalben aus meiner Kindheit, obwohl sie auf allen Bildern von meinem Vater sein Gesicht mit einer Rasierklinge rausgeschnitten hatte. Auf ein paar Fotos mit mir – als ich zwei, drei oder vier Jahre alt war – trug sie Umstandskleidung. Wenn man dann weiterblätterte, war nirgendwo ein Baby zu sehen. Aber in einem der Alben steckte hinten ein Fußabdruck, kaum größer als eine Briefmarke. Fern.
    Was mich anging, hatte ich nicht allzu viel, was ich wirklich mitnehmen wollte. Die Chroniken von Narnia, Das große Buch der Zaubertricks und aus meiner Kindheit Pokey Little
Puppy und Curious George. Das Poster, auf dem Einstein die Zunge rausstreckt.
    Im Grunde war das Allerwichtigste Joe. Außer bei der Heimfahrt von der Zoohandlung, als wir ihn gekauft hatten, war er noch nie Auto gefahren, aber ich dachte mir, ich könnte ihn aus seinem Käfig nehmen, falls er Angst bekam, und ihn unter mein Hemd stecken, damit er meinen Herzschlag hören konnte. Das machte ich sowieso manchmal. Dann spürte ich auch seinen Herzschlag, viel schneller als meinen eigenen, unter dem seidigen Fell.
    Joe ging es nicht gut bei der Hitze. Seit Tagen interessierte er sich nicht mehr für sein Laufrad, lag nur keuchend und mit starrem Blick in seinem Käfig. Sein Essen rührte er auch nicht an. Ich hatte ihm mit einer Pipette ein bisschen Wasser gegeben, weil er offenbar sogar zu erschöpft war, um aufzustehen und zu trinken.
    Ich mache mir Sorgen um Joe, sagte ich meiner Mutter an diesem Morgen. Er sollte eigentlich erst Auto fahren, wenn es abgekühlt hat.
    Darüber müssen wir sowieso sprechen, Henry, sagte sie. Ich glaube nicht, dass man Hamster über die Grenze mitnehmen darf.
    Dann müssen wir ihn eben schmuggeln, erwiderte ich. Ich kann ihn unter mein Hemd stecken. Das wollte ich ohnehin machen, damit er keine Angst kriegt.
    Wenn sie Joe finden, fangen sie an, alles zu durchsuchen, sagte meine Mutter. Und dann kommen sie auch Frank auf die Spur, und die Polizei verhaftet ihn und schickt uns alle zurück.

    Er gehört aber zur Familie. Wir können ihn doch nicht einfach hierlassen.
    Wir suchen ihm ein schönes Zuhause, sagte sie. Vielleicht nehmen die Jervis’ ihn für ihre Enkel.
    Ich schaute Frank an. Er schrubbte auf allen vieren das Linoleum. Sie wollten alles gepflegt zurücklassen, hatte meine Mutter gesagt. Sie wollte nicht, dass die Leute einen schlechten Eindruck von ihr kriegten. Frank fuhr jetzt mit einem Messer an der Kante entlang, wo die Fliesen an die Wand stießen, um dort angelagerten Schmutz zu entfernen. Er schaute nicht auf. Meine Mutter polierte mit Stahlwolle den Toaster, bearbeitete immer wieder die gleiche Stelle.
    Wenn Joe nicht mitkommt, bleibe ich auch hier, verkündete ich. Er

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