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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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geübt hatten. Wie wir in der Küche saßen, wie Frank für meine Mutter einen Blaubeer-Pancake in Herzform gebacken hatte, wie er Barry aus der Badewanne gehoben und ihn aufs Bett gesetzt hatte, um ihm die Fingernägel zu schneiden. Wie er beim Geschirrspülen vor sich hingepfiffen hatte. Wie er sagte, Nicht mal der reichste Mann von Amerika wird heut Abend einen köstlicheren Pie essen als wir. Wie er sagte, Den Ball sehen, Henry.
    Ich hab über diese Idee von dir nachgedacht, sagte ich. Obwohl sie mir das alles antun, kann ich mir nicht vorstellen, etwas zu tun, dass Frank wieder ins Gefängnis kommt. Wenn sie ihn jetzt schnappen würden, müsste er bestimmt ewig im Knast bleiben. Sie würden ihm noch eine schlimmere Strafe aufbrummen, weil er geflüchtet ist.
    Darum geht’s aber doch, Henry. Ihn wegschaffen, weißt
du nicht mehr? Zusehen, dass er aus deinem Leben verschwindet, sagte Eleanor.
    Aber er hat es nicht verdient, im Knast zu verrotten, entgegnete ich. Er ist eigentlich ein netter Kerl, wenn man mal davon absieht, dass er mir meine Mutter wegnehmen will. Und die wäre furchtbar traurig, wenn er wieder ins Gefängnis müsste. Sie würde das nicht verkraften.
    Sie wird eine Weile traurig sein, sagte Eleanor. Aber irgendwann wird sie dir dafür danken. Und vergiss das Geld nicht.
    Ich bin noch jung, sagte ich. Ich brauche nicht so viel Geld.
    Soll das ein Witz sein?, erwiderte Eleanor. Weißt du, was du mit dieser Belohnung alles machen könntest? Du könntest dir ein Auto kaufen, das dann schon da ist, wenn du deinen Führerschein hast. Eine tolle Stereoanlage. Du könntest nach New York fahren und im Hotel wohnen. Du könntest dich sogar bei der Weathervane School anmelden, wie ich. Es würde dir bestimmt gefallen da.
    Aber es wäre auch nicht fair, wandte ich ein. Ich will keine Petze sein. Man sollte Leute nicht belohnen für so was.
    Eleanor warf den Kopf zurück, um ihre Ponyfransen aus ihren übergroßen Augen zu schütteln, und sah mich an. Ich hatte noch nie jemanden erlebt, in dessen Augen man so viel Weiß um die Iris herum sehen konnte. Das machte Eleanors Blick sehr intensiv, aber sie sah auch ein bisschen wie eine Comic-Figur aus. Sie streckte die Hand aus und berührte meine Wange. Streichelte meinen Hals. Ließ ihre Hand nach unten in mein Hemd wandern, als habe sie
das irgendwo in einem Film abgeguckt. Vorher war mir das nicht aufgefallen, aber ihre Fingernägel waren tatsächlich bis aufs Blut abgekaut.
    Ich finde es echt toll an dir, dass du so lieb bist, Henry, sagte sie. Sogar zu Leuten, die es gar nicht verdient haben. Du bist viel sensibler als die meisten Mädchen, die ich kenne.
    Ich will nur nicht, dass man jemandem weh tut, erwiderte ich. Ich stand von der Schaukel auf und setzte mich auf das Rasenstück. Eleanor folgte mir, nahm mich bei den Schultern und drehte mich zu sich herum. Sie war mir jetzt so nah, dass ich ihren Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.
    Und sie küsste mich. Aber diesmal lag ich wirklich, wie in der Szene, die ich mir ausgedacht hatte, und Eleanor legte sich auf mich und steckte mir die Zunge in den Mund, aber viel tiefer als beim letzten Mal, und ihre Hand wanderte über meine Brust weiter nach unten.
    Schau mal, was passiert ist, sagte sie. Wegen mir hast du eine Erektion gekriegt.
    So war sie. Sie konnte alles aussprechen.
    Wir könnten echten Sex haben, sagte sie. Ich hab das noch nie gemacht, aber zwischen uns gibt es eine interessante chemische Reaktion.
    Sie zog ihr Höschen aus. Violett mit roten Herzchen.
    So lange dachte ich schon über Sex nach, ohne echte Chance, und nun bot sie sich – und es ging nicht. Niemand war in der Nähe. Aber ich fühlte mich nicht sicher.
    Ich finde, wir sollten uns zuerst besser kennen lernen, sagte ich. Es war mir peinlich, dass ich plötzlich nicht mehr mit
meiner neuen tieferen Stimme sprach, sondern mit der höheren von früher.
    Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich schwanger werde, sagte sie. Ich hab seit Monaten keine Periode mehr gehabt. Heißt, in mir lungern auch keine reifen Eier herum.
    Sie legte mir jetzt die Hand auf den Penis und hielt ihn fest wie ein Filmstar den Oscar, den er gerade gewonnen hat. Oder wie ein Lokalreporter sein Mikro am Schauplatz eines Unfalls.
    Weißt du, was passieren wird, wenn du den Typ nicht der Polizei meldest?, fragte sie. Die werden dich mitnehmen, und wir beide werden uns nie wiedersehen. Und ich sitz da an der Holton Mills Highschool fest, ohne Freunde.

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