Der Duft des Sussita
weder die Juden noch die Araber essen Schweinefleisch, Moses wie auch Mohammad verachteten diese Leckerbissen, offensichtlich wussten die beiden nicht, was für eine Delikatesse Schweinefleisch ist. Und die Marokkaner, Juden wie auch Araber, sie nehmen das vor Tausenden von Jahren geschriebene Wort bedingungslos ernst, noch heutzutage, bis heute glauben sie an die Weisheit der alten Worte, die jüdischen und arabischen Marokkaner, vielleicht weil sie keine Epoche der Aufklärung erlebt haben, sie alle jedenfalls, Buzaglo inbegriffen, sagen a priori Nein zum Schwein, ohne es zu probieren, sie sagen Nein, weil die Rabbis und Mullahs es so lehren. Die Marokkaner glauben fest an die Schädlichkeit und Unreinheit des Schweinefleisches, was eine durch und durch unfundierte und unbewiesene Behauptung ist. Nur eine Behauptung, eine unhaltbare Behauptung. Es wäre aber schade, wenn jemand sterben würde, ohne wenigstens einmal in seinem Leben Schweinefleisch gekostet zu haben.
Der Marokkaner ist verhungert, sagte Onkel Sauberger, es ist ja unmenschlich, was die Ärzte in diesem Krankenhaus sich erlauben. Man stirbt hier vor Hunger, und diese Ärzte nennen diese Unmenschlichkeit notwendige Diät . Die Ärzte haben keine Ahnung. Es ist absolut wahr, was ich einmal gehört habe, rief Onkel Sauberger aus, ich weiß nicht mehr wo und wann, vor vielen Jahren war das, vielleicht sogar Jahrzehnten, jedenfalls, es steht fest: die Ärzte wissen keinen Rat, sie konstatieren nur Defekte. So ist das. Die Ärzte haben keine Ahnung. Nicht die geringste Ahnung haben sie, leider.
Die Ärzte behaupten, jemand wie ich, jemand mit einem derart hohen Cholesterinspiegel, könne unter gar keinen Umständen leben beziehungsweise existieren. Aber ich lebe und ich existiere.
Ecce homo, hörte ich mich sagen.
Ich bin doch da, rief Onkel Sauberger. Ich sollte schon längst zu Hause sein, aber die Ärzte wollen mich untersuchen. Ich bin für die das Versuchskaninchen, die Labormaus der Ärzte, im Namen der Wissenschaft werde ich hier im Krankenhaus festgehalten.
Die Ärzte können nicht glauben, dass ich lebe und existiere, sie sehen nicht mich, sondern die Bilder, die sie von mir in ihrem Laboratorium gemacht haben. Sie glauben dem Röntgenbild, sie sehen mich nicht, nur den Bildern, der Statistik und ihren Papieren glauben sie, mir glauben sie nicht, mich sehen sie nicht. Den Ärzten bin ich ein Dorn im Auge, ich bin eine Ausnahme, Ausnahmen sind in der Wissenschaft verhasst, deswegen hassen sie auch mich, sie hassen jede Ausnahme, alles, was mit ihren Statistiken und Zahlen nicht übereinstimmt, ist bedrohlich für sie und hassenswert. Deswegen lassen sie mich nicht nach Hause gehen, deswegen quälen sie mich, sie erzählen mir, wie wichtig mein Fall für sie, für die Wissenschaft sei, aber sie hassen mich, ich spüre es, ich weiß es, sie hassen mich, allein weil ich wider jede Vernunft lebe und existiere.
Diese sogenannte notwendige Diät , diese Flüssigkeiten, die die Ärzte mit Gewalt in den Marokkaner hineinschieben, ist nicht gut. Nicht menschlich. Buzaglo ist ständig hungrig, seit 1967 ist dieser Mann stets hungrig.
Im Jahre 1967, im Sechstagekrieg, war Buzaglo ein junger Mann, sagte Onkel Sauberger, er war ein ausgezeichneter Soldat, der seinen Körper für sein Land opferte. Er vollbrachte eine Heldentat, riskierte sein Leben und rettete dadurch viele seiner Kollegen.
Bei seiner Heldentat wurde er tödlich verletzt, aber er überlebte, die Ärzte konnten ihn vom Tod retten, nur seinen Körper konnten sie nicht retten. Seitdem ist Buzaglo gelähmt. Seit 1967 ist dieser Mann vollständig gelähmt. Seit dem Sechstagekrieg hat er nichts als gelbe, grüne und rote Flüssigkeiten geschluckt und dazu eine unvorstellbare Menge Medikamente. Seine Mitsoldaten haben überlebt, er ist seitdem in der Hölle, und niemand rettet ihn.
Seit langer Zeit möchte Buzaglo lieber sterben, er will sterben, sagte Onkel Sauberger, aber niemand lässt ihn in Ruhe sterben. Niemand rettet ihn. Er rettete viele. Ihn rettet niemand. Er wird gegen seinen Willen am Leben gehalten, seit so vielen Jahren liegt er mit einem toten und fremden Körper in seinem Bett und wartet, dass alles vorbei ist.
Dieser einmalige junge Soldat, der Inbegriff des Helden, der nun schon ein ziemlich alter Mann ist, sagte Onkel Sauberger, ein veralteter, verkrüppelter, gelähmter Exheld, er will nicht mehr Flüssigkeiten und Medikamente schlucken. Er will Fleisch. Am besten sollte
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