Der Duft des Sussita
Sonnenlicht sah ich dort auf der Schwelle das expressionistische Bild eines Heiligen, etwas abstrakt, doch zweifellos überirdisch, eine zugleich ein-, zwei-, dreidimensionale, unbestimmte Lichtgestalt stand vor mir und Onkel Sauberger.
Das Mysterium löste sich auf, sobald Metzger die Tür hinter sich geschlossen hatte, allerdings blieb er auch bei gewöhnlichem Licht eine beeindruckende Erscheinung.
Bitte kommen Sie rein, kommen Sie bitte, lieber Herr Metzger, bitte treten Sie näher, kommen Sie, kommen Sie, sagte Onkel Sauberger.
Ich blinzelte, als Metzger mir seine starke, lange rechte Hand reichte.
Buzaglo schnarchte nicht mehr.
Ruhe herrschte im Zimmer, und auch die Umgebung war äußerst still. Einige Augenblicke sagte niemand von uns etwas, wir alle lauschten der plötzlich herrschenden Stille und wollten diese Kostbarkeit nicht mit Worten vergeuden.
Worte erzählen nie die Wahrheit, sagte ich mir.
Mein Blick blieb an Metzgers Tasche haften. Mit professionellen Bewegungen öffnete er seinen als Aktenkoffer getarnten portablen Kühlschrank. Der Geruch der verschiedenen Fleischsorten und Würste stieg auf.
Onkel Sauberger probierte eine Sorte nach der anderen. Ähnlich wie bei Weinproben, die ich nur aus dem Fernsehen kannte, bekam er kleine Wurststücke von dem Metzger, die er mit großer Konzentration verdammte oder verherrlichte. Es gab wenig zu verdammen und viel zu verherrlichen. Alles schmeckt hier wunderbar, sehr, sehr gut schmeckt hier alles, diese Leberwurst ist ausgezeichnet, und dieser Schinken ist wundervoll, herrlich, lieber Metzger, lecker sind alle Ihre Produkte, und die Würste …, sagte Onkel Sauberger und schluckte vor Entzücken.
Metzger ließ jedes einzelne Produkt von Onkel Sauberger probieren. Nachdem Onkel Sauberger alles, ausnahmslos jedes Wurstprodukt, gekostet hatte, gab er seine Bestellung auf.
Hiervon (Leberwurst) will ich ein Kilo, von diesem (Schinken) zwei Kilo, davon (Mettwurst) nicht weniger als fünf Kilo, vielleicht zehn Kilo, haben Sie zehn Kilo, sagte Onkel Sauberger zu Metzger. Bergeweise Schweinewurstprodukte bestellte Onkel Sauberger in seinem Krankenhauszimmer.
Ich schaue, was ich tun kann, sagte Metzger lakonisch.
Ich kann nur noch einmal wiederholen, sagte Onkel Sauberger zu Metzger, wie ungeheuer wichtig es ist, dass Sie hierhergekommen sind. Nicht für mich. Sie nur für mich hierherzubestellen … damit hätte ich Sie nicht belästigt, nein, ich bin ja unwichtig. Aber dieser Mann hier, Buzaglo, der Marokkaner, ich habe Ihnen am Telefon von ihm erzählt, seinetwegen habe ich Sie so schnell wie möglich hierhergerufen. Ich weiß, wie beschäftigt Sie sind. Also, ich bedanke mich herzlich, lieber Metzger, dass Sie so schnell gekommen sind, sagte Onkel Sauberger.
Buzaglo, sagte Onkel Sauberger, während der Gelähmte nun abwechselnd schnarchte und still wurde, still wurde und schnarchte, unser Marokkaner, so sagte er, bekommt in diesem Krankenhaus nichts Gesundes zu essen, nur ekelhafte Flüssigkeiten bekommt dieser Mann, er hat nicht mehr lange zu leben, also habe ich ihm gesagt, dass Sie kommen.
Allein die Vorstellung, dass jemand wie Sie hierherkommen wird, hat ihn gefreut. Er war fröhlich und wartete ungeduldig auf Sie. Nun schläft er. Leider schläft er jetzt, es ist aber kein Wunder, dass er schläft, sehr tief schläft, seine Medikamente könnten sogar eine Elefantenherde tagelang schlafen lassen. So stark sind die Medikamente, die dieser Buzaglo tagtäglich bekommt.
Andererseits ist es nicht schlecht, dass er gerade jetzt schläft. Er wäre glücklich, mit Ihnen reden zu können, lieber Metzger, sagte Onkel Sauberger, er würde stundenlang mit Ihnen reden wollen. Ich weiß, wie beschäftigt Sie sind. Es ist nicht schlecht, dass Buzaglo jetzt schläft. Er hätte bestimmt viele Fragen bezüglich des Fleisches. Der Art, wie das Fleisch geschlachtet wurde, was für Fleisch es ist, aus dem die Würste gemacht sind, und so weiter und so fort.
Buzaglo weiß ja nicht – obwohl ich es ihm mehrere Male anzudeuten versuchte –, sagte Onkel Sauberger, er muss auch nicht wissen, was für ein Fleisch Sie mir gebracht haben, ich brauche es Ihnen ja nicht zu sagen, die sogenannten Sephardi-Juden, wie unser Freund hier, die Nachfahren der um 1492 – das Entdeckungsjahr Amerikas! – aus Spanien vertriebenen Juden, von denen viele in Marokko eine neue Heimat fanden, diese Juden mit einer ähnlichen Kultur wie die der einheimischen arabischen Marokkaner,
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