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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Scheer
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sicher, ob ich mich nicht im Kreis bewegte.
    Ich ging aber weiter, ohne zurückzuschauen, schritt ich voran, folgte rigoros den Hinweisen der alten Dame, weiter und weiter, und erreichte tatsächlich das Hotel.
    Ich war einige Stunden zu früh da. Viel zu früh, dachte ich. Spazieren wollte ich aber nicht mehr. Sicher nicht.
    Neben meinem Koffer in der Lobby stehend, suchte ich nach meinem Vetter George, ich ließ meinen Blick in alle Richtungen und Ecken des eleganten Hotels schweifen, wie ein Adler suchte ich, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.
    Dafür sah ich viele Menschen in Anzug und Krawatte. Sie gingen nach draußen oder kamen von draußen hinein ins Hotel, die Menschen in Anzug und Krawatte waren überall. Nur Menschen in Anzug und Krawatte. Außer mir. Ich passte nicht in dieses Hotel. Das war auf den ersten Blick zu sehen. Ich sah es, und die Menschen in den Anzügen und Krawatten sahen es auch.
    Ähnliche Typen erscheinen in meinen Alpträumen, dachte ich beklommen, Menschen mit Anzügen und Krawatten und Aktentaschen. Übelkeit stieg in mir auf. Schlagartig begriff ich ganz unmittelbar, was Franz Kafka meinte, wenn er schrieb, was er schrieb. Ich fühlte mich in eine Bürokratie der Alpträume hineingeworfen, ich stand vor dem Gesetz. Ich war Franz Kafka. Being Franz Kafka.
    Nur meinen Vetter George sah ich nicht. George?!
    Misstrauisch blieb mein Blick auf dem Mann ruhen, den ich als meinen Vetter identifizierte. Ist er es wirklich, fragte ich mich, ist dieser Mann dort wirklich mein Vetter George, ja, dachte ich, der, der dort sitzt, sieht genau aus wie mein Vetter, genau so, er muss also George sein. Es ist mein Vetter George, dachte ich, ich habe ihn gefunden.
    Er saß in der Lounge des Hotels mit zwei Männern, die ich nicht kannte, und unterhielt sich. Kurz überlegte ich, ob ich sie überhaupt stören sollte. Doch dann nahm ich meinen Koffer und ging Richtung Lounge.
    Es war tatsächlich mein Vetter. Die beiden Unbekannten waren deutsche Promis, was mir aber erst später klarwurde. Mein Vetter George gab mir den Schlüssel seines Zimmers und sagte, ich solle es mir dort bequem machen, er werde mich später holen, sagte er, er habe nämlich noch einige Dinge mit den beiden mir unbekannten Personen zu besprechen.
    Hier kann ich mich ein wenig ausruhen, dachte ich im Zimmer auf dem Bett liegend. Ich schaltete den Fernseher an. Ich war müde, konnte aber nicht einschlafen. Also machte ich mich für die Party fertig und malte mir den bevorstehenden Abend aus.
    Nach ein paar Stunden war es so weit. George und ich fuhren mit dem Aufzug nach unten. Dort warteten auf uns nicht nur die beiden Unbekannten, sondern auch eine Limousine mit Chauffeur.
    Bis dahin hatte ich noch nie in meinem Leben in einer Limousine gesessen. Jetzt geht es los, dachte ich. Jawohl, dachte ich und stieg ein.
    Die Unbekannten wirkten freundlich. Der kleine Kerl mit Brille stellte mir Fragen auf Englisch, und ich antwortete, dann stellte mir der großer Typ Fragen, dann nochmal der sympathische kleine Kerl mit Brille, ich unterhielt mich gut mit dem kleinen Typ mit Brille, ich weiß nicht mehr, worüber wir sprachen, die beiden fragten mich einiges, und ich antwortete, einmal der große und einmal der kleine Typ, dann redete auch George ein wenig, George unterhielt sich mit dem großen Kerl und ich mich mit dem kleinen mit Brille, so fuhren wir weiter durch die kalten Straßen von Wien, mal sprechend, mal schweigend, mal auf Englisch, mal auf Deutsch.
    In der Limousine war es angenehm, ein Film in Wien, dachte ich, ein Film mit einem großen Kerl ohne Brille und einem kleinen Kerl mit Brille und natürlich George, ein Film mit vier Schauspielern, dachte ich, als George sagte, die zwei seien Schauspieler.
    Als ich aus dem Fenster sah, war es stockdunkel geworden. Finsternis über Wien. Wir sind da, sagte George.
    Die strenge Einlasskontrolle offenbarte, dass sich hier eine geschlossene Gesellschaft traf. Draußen herrschte große Erregung, drinnen schien alles ganz entspannt und locker zu sein. Eine Überraschungsparty für einen bekannten österreichischen Videoproduzenten, sagte mir der kleine Kerl mit Brille.
    Ein Paralleluniversum. Ich bahnte mir einen Weg und sah vor mir den Gitarristen und den Schlagzeuger von Queen. Ich trank einige Drinks und geriet in eine Unterhaltung mit einer spanischen Künstlerin. Auf einmal tippte mir jemand auf die Schulter, und eine raue Stimme fragte mich, ob er mit der Dame mal einige Worte

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