Der Duft des Sussita
Augen, vor den Augen des ehemaligen Generals stand sein Volk und sein Vaterland, so war er, Raful, ein Patriot, in den Händen die Fahne mit dem Davidstern, der Mann, der nun von einer einzigen Welle verschlungen wurde, er ist zur Natur zurückgekehrt, ertrunken, seine Liebe, das Meer, hat ihn getötet, hat ihn erlöst, es war nur eine Frage der Zeit, bis das Meer sich gegen ihn wendete und seine Gewalt demonstrierte, der Internationalismus der Natur gegen den Nationalismus der Menschen, die Natur kann die menschliche Dummheit nicht mehr ertragen, sie packt ihn und spielt ihm auf, bloß einen Tanz, einen tödlichen und letzten Tanz, doch der General Raful lässt sich nicht führen, bleibt starr und versinkt, Politiker tanzen nicht, Politiker singen nicht, von Natur aus sind sie dazu gar nicht befähigt, und so wurde Rafael Eitan, auch Raful genannt, von der Welle geholt, Natur und das Künstliche verschmolzen in einem alchemistischen Prozess, wurden eins. Alles fließt, sagte Onkel Sauberger, man kann nicht zweimal in dasselbe Meer hineinsteigen. Das Meer floss, schlug Wellen, im Jahre 2004, und der ehemalige Politiker und General wurde, von einem Moment zum anderen, eins mit allem, was lebt.
RICHARD WAGNER IN TEL AVIV
Haben Sie denn nicht immer jehört und jelesen, daß das Theater janz und jar verjudet ist? […] Ich würde die Oper empfehlen. – Theodor Herzl, »Altneuland«
Ich war schon ziemlich gespannt zu hören, wo Onkel Sauberger seinen Abend verbracht hatte.
In der Oper, sagte Onkel Sauberger, ich war gestern Abend mit David Metzger in der Oper. Natürlich waren die teuren Plätze restlos ausverkauft, obwohl sie wirklich irrwitzig teuer sind, manchmal denke ich, sagte Onkel Sauberger, nur die Menschen, die am wenigsten an Kultur interessiert sind, können sich die Kultur leisten, während die tatsächlich interessierten, die passionierten Menschen nicht das Geld für eine solche Opernkarte aufbringen können, sie haben keine Chance, das zu erleben, was ich gestern erlebt habe, und, wie gesagt, alle Karten waren schon längst ausverkauft, aber mein Freund David Metzger hatte zwei Karten und fragte mich, ob ich Lust hätte, mit ihm in die Oper zu gehen.
Viel Lust hatte ich, ehrlich gesagt, nicht, sagte Onkel Sauberger, ich hatte überhaupt keine Lust, in die Oper zu gehen, ich hasse die Oper, und die Leute, die in die Oper gehen, finde ich abstoßend, diese Leute gehen nur in die Oper, um gesehen zu werden, sie interessieren sich nicht im Geringsten für die Oper, diese Leute gehen in die Oper, weil es mit Status zu tun hat, allein deshalb gehen sie dorthin, und in der Oper schlafen diese Menschen ein.
Die Oper, sagte Onkel Sauberger, ist für alle sogenannten Kulturmenschen eine teure Schlaftablette, diese Menschen kaufen die irrwitzig teuren Karten, beteuern einander, wie gespannt sie auf die Oper sind, die Sänger, die Inszenierung, aber tatsächlich gehen diese Kulturmenschen in die Oper, um zu schlafen. Sobald die Oper beginnt, sagte Onkel Sauberger, sobald die ersten Töne erklingen, schlafen diese Menschen ein, und nicht selten kann man sie schnarchen hören, es sind meist alte Menschen, aber nicht nur alt und mit einem Bein im Grab, vor allem, sagte Onkel Sauberger, sind diese Kulturmenschen sehr müde.
Ich wollte also wirklich nicht in die Oper gehen und mir diese widerwärtigen, alten, reichen Dummköpfe ansehen, aber David Metzger blieb hartnäckig, sagte Onkel Sauberger, ich solle unbedingt mit ihm gehen, er selbst hasse die Oper, aber dieses eine Mal solle ich ihn in die Oper begleiten, weil zum ersten Mal hier bei uns in Israel Richard Wagner gespielt werde.
Richard Wagner, fragte ich ungläubig, sagte Onkel Sauberger, ja, sagte der Metzger. Daniel Barenboim dirigiert, und sie spielen Richard Wagner.
Zum ersten Mal in der Geschichte dieses unseres Landes, sagte Onkel Sauberger, spielt man Richard Wagner. Ein Judenhasser, sagte mir David Metzger, sagte Onkel Sauberger, aber ein Genie, ein Dummkopf, der in all seinen Opern die Juden als monströs darstellt, einer der größten Dummköpfe überhaupt war Richard Wagner, sagte David Metzger, trotzdem kann es keinen Zweifel an seiner perversen Genialität geben, und jetzt kann man diese genialen Auswüchse eines antisemitischen Größenwahnsinnigen hier auf der Bühne mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören.
Es war kein Witz, sagte Onkel Sauberger, tatsächlich wollte Daniel Barenboim die Musik Richard Wagners in der Oper
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