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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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fremd zu sein. Sie lächelte Carl ebenso ungezwungen an wie Emma. Als Carl sich höflich vor ihr verbeugte, ohne dass sein Blick auf etwas anderes gefallen wäre als auf Purlimils Gesicht unter dem krausen schwarzen Haar, lachte die Eingeborene hell auf.
    »Dein Mann guter Mann«, sagte sie zu Emma, die bei diesen Worten prompt errötete.
    Purlimil machte sich ohne weitere Umschweife auf den Weg, und sie beeilten sich, ihr zu folgen. Carl vermied es, in Emmas Richtung zu sehen oder das Wort an sie zu richten, und die gespannte Stille zwischen ihnen wurde durch die Geräusche des Regenwaldes noch betont. Fieberhaft überlegte Emma, wie sie Carl von Ludwig ablenken konnte, denn sie vermutete darin den Grund für Carls Schweigen.
    Schließlich fasste sie sich ein Herz und fragte kühn: »Sag mal, ist es dir nicht unangenehm, mit einer vollkommen … ähm, unbekleideten Frau zu sprechen?«
    Zugegeben, das war eine peinliche Frage, doch erstens brachte sie ihn ziemlich sicher auf andere Gedanken, und zweitens war sie berechtigt, da sie in wenigen Minuten auf Dutzende nackter Frauen und Männer treffen würden. Wollten Emma und Carl das stete Gefühl von Befangenheit und Scham während ihrer gemeinsamen Forschungsarbeit vermeiden, musste das Thema Nacktheit früher oder später angesprochen werden. Warum also nicht jetzt gleich?
    Carl antwortete nicht sofort, und sie fürchtete bereits, dass er nicht auf ihr Ablenkungsmanöver eingehen würde. Doch da wandte er sich ihr zu, und sein Gesicht zeigte den sachlich-souveränen Ausdruck des Forschungsleiters.
    »Es ist ungewohnt«, stellte er nüchtern fest. »Aber ich war darauf vorbereitet. Die traditionell lebenden Eingeborenen Australiens sind nie bekleidet.«
    »Doch. Wenn es kalt ist.« Emma versuchte, ihre Gefühle ebenso aus ihrer Stimme zu halten wie Carl, als sie ihr neues Wissen mit ihm teilte. »Dann tragen sie Felle. Purlimil hat mir gestern eins geschenkt. Es liegt jetzt in meiner Hütte.«
    »Du hast schon etwas geschenkt bekommen?« Jetzt blitzte Interesse in seinem Blick auf. »Wie hast du das denn geschafft?«
    »Ich habe Purlimil dafür mein Spitzmesser gegeben.«
    »Ach. Und womit wirst du nun deinen Bleistift spitzen?«
    »In Brisbane habe ich mir mehrere Messer gekauft, für genau so einen Fall. Praktisch, nicht?«
    »Dann hast du das Ganze also geplant?«
    Seiner unbewegten Miene war nicht zu entnehmen, ob er das nun gut fand oder nicht.
    »Nein. Sagen wir mal, ich habe vorgesorgt. Direkt geplant hatte ich es nicht, aber …« Sie unterbrach sich. »Na ja, vielleicht doch. Vielleicht hatte ich tatsächlich schon in Brisbane diesen Drang zu forschen. Er war mir nur noch nicht bewusst.«
    Ein wenig erwartete Emma, dass er sie für ihre Geheimniskrämerei und eigenmächtige Planung tadeln würde.
    Doch er schwieg und sah sie nur nachdenklich an. Erst als Wasserrauschen und Stimmen zu hören waren und Purlimil sich lächelnd zu ihnen umdrehte, um sie einzuladen, das Eingeborenenlager zu betreten, sagte er: »Ich hoffe, mein Einfluss auf die Kolonialregierung ist groß genug, Emma. Es wäre eine Schande und ein Verlust für die Wissenschaft, wenn du diesen Vertrag nicht bekommen würdest.«
    Damit ließ er sie stehen und folgte Purlimil zu einem alten schwarzen Mann, der bereits auf sie zu warten schien.
    Überrascht und verwirrt sah Emma Carl nach. Sie beobachtete, wie er von dem Alten begrüßt wurde. Mit seiner ganzen Haltung erwies der Forscher dem Eingeborenen Respekt, ohne jedoch unterwürfig zu wirken, und die neugierigen Blicke der Frauen erwiderte er mit freundlicher Distanziertheit.
    In Emmas Augen begann es zu brennen.
    Wie dankbar sie Carl war! Er setzte sich für ihren unerhörten Berufswunsch ein, obwohl er noch immer nicht wusste, wer sie eigentlich war und was sie vor ihm verbarg. Er bemühte sich, ihr zu vertrauen – obwohl auch er schon eine schwere Enttäuschung hinter sich haben musste. Blieb zu hoffen, dass sie sein Vertrauen mehr verdiente als die Frau in seiner Vergangenheit.
    Als habe Purlimil Emmas Gedanken aufgefangen, kam sie zu ihr und sagte: »Du keine Angst. Wir dir helfen.«
    Emma riss sich zusammen und lächelte. »Wobei, Purlimil?«
    Die junge Frau antwortete: »Die Marmbeja singen von allen Bäumen, dass du bösen Traum hast. Wir dir helfen, aus bösem Traum aufzuwachen.«
    Heilung.
    Emma starrte Purlimil an.
    »Wer sind die Marmbeja?«, brachte sie schließlich heraus.
    »Marmbeja ist unser Name für Baumgeister.«
    Purlimil

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