Der Duft von Hibiskus
lehnte sich an den schlanken Stamm einer Palme. Offensichtlich hielt sie ihre Erklärung für ausreichend.
»Ich glaube nicht an Geister, weißt du«, sagte Emma schwach.
Purlimil lachte. »Das ist den Marmbeja egal.«
Sie stieß sich elastisch vom Stamm der Palme ab. »Schau, da ist Yileen. Wir wollen mit ihm zu Birwain gehen, das ist Mann, mit dem Carl spricht. Birwain ist Ältester. Er ist großer Heiler, großer Schamane, gut für dich. Und spricht auch Englisch.«
Trotz ihrer Verwirrung fielen Emma Carls Worte ein.
»Heilen denn nicht die Frauen bei euch die Krankheiten?«
»Doch. Wenn du Wunde hast oder Husten oder wenn du Baby bekommst oder wenn du Mann liebst, der dich auch lieben soll, dann helfen dir Frauen. Aber wenn Krankheit so ist wie bei dir, dann musst du zu Schamane gehen.«
Purlimil führte Emma zu Yileen, der sie mit einem breiten Grinsen begrüßte. Gemeinsam traten sie dann zu Carl und dem alten Heiler Birwain, die am Ufer des Baches zwischen riesigen Farnen standen.
Emma war unsicher, wie sie sich dem grauhaarigen Mann mit den tiefen Furchen im Gesicht angemessen nähern sollte. Dass er nackt war, machte ihre Aufgabe nicht leichter, fand sie. Zumal sie sich bewusst war, dass Carl sah, dass sie sah, dass die Männer um sie herum …
Schluss damit, durchbrach sie ihre Grübelei energisch, Carl ist Forscher, wir wissen beide, dass Nacktheit hier normal ist, und ich werde ebenso gelassen damit umgehen wie er.
»Guten Tag«, sagte sie beherrscht und neigte ihren Kopf vor Birwain. »Ich freue mich, dass ich dich und deinen Clan kennen lernen darf. Purlimil sagte mir, dass du ein großer Heiler bist. Es ist mir eine Ehre, mit dir zu sprechen.«
War das angemessen? Ein schneller Seitenblick auf Carl zeigte ihr, dass er sich das Lachen verkniff. Hm, da hatte sie wohl nicht ganz den richtigen Ton getroffen.
Dennoch verzog sich Birwains Gesicht zu einem Lächeln, das den Furchen Tausende kleine Falten hinzufügte. Emma sah, dass dem Schamanen mehrere Zähne fehlten, was seiner angenehmen Ausstrahlung aber keinen Abbruch tat. Ebenso wenig wie seine Stimme, die an die eines Papageis erinnerte.
»Die Geister dieses Ortes und ich heißen dich willkommen«, krächzte er in tadellosem Englisch. »Dich und deinen Gefährten. Ich habe gehört, ihr wollt mehr über unsere Heilkunde erfahren. Fühlt euch eingeladen, bei uns zu bleiben, so lange ihr möchtet.«
Hatte Emma bis zu diesem Moment die leise Befürchtung gehabt, Purlimil und ihr Clan könnten ihr Interesse als vorwitzig empfinden, so löste sich diese Angst bei Birwains freundlichen Worten in Luft auf.
Dankbar sagte sie: »Oh ja, wir sind sehr gespannt, wie ihr mit Krankheiten umgeht. Ihr müsst die Heilkräfte der Pflanzen hier so viel besser kennen als wir!«
»Die Heilkräfte der Pflanzen und die der Geister.« Birwain lächelte wieder sein zahnloses, faltiges Lächeln. »Ihr seid am richtigen Platz. Alles, was für euch wichtig ist, werdet ihr erfahren.«
»Das ist sehr großzügig von dir«, sagte Carl rasch. »Wir werden uns dafür erkenntlich zeigen.«
Emma sah ihn an. Was dachte er sich dabei, Birwain so unverblümt eine Bezahlung anzubieten? Sicher war der alte Mann nun gekränkt.
Doch Birwain krächzte: »Das hatte ich gehofft. Mr. Hay hat uns manchmal Mehl gegeben. Der Kuchen daraus hat allen hier gut geschmeckt.«
Carl nickte. »Also Mehl.«
Birwain rieb sich die Hände und sagte zufrieden: »Abgemacht. Heute gibt es unser Essen, ihr seid eingeladen. Beim nächsten Besuch gibt es Kuchen aus dem Mehl eurer Pflanzen.«
Wie es aussah, war selbst ein großer Schamane nicht vor der Freude gefeit, die ein gelungener Handel und die Aussicht auf eine leckere Mahlzeit einem Menschen bereiten konnten.
Die allzu menschliche Reaktion Birwains ernüchterte Emma, nahm ihr jedoch auch die Furcht. Als sie, gefolgt von plappernden Kindern jeglichen Alters, zusammen zu einer großen Hütte abseits des Baches gingen, bemerkte sie, dass das flaue Gefühl in ihrem Magen verschwunden war.
Gut so, dachte sie. Es war ihr lieber, die medizinischen Geheimnisse des Regenwaldes von einem ehrwürdigen Menschen zu erfahren, als von einer Art … Zauberer. Auch wenn sie nicht an Zauberei und Geister glaubte!
Purlimil klatschte in die Hände.
»Und jetzt wir bereiten Mahlzeit!«, rief sie fröhlich aus.
Mehrere Frauen versammelten sich um sie herum, und sie sagte zu Emma: »Du schaust. Dann hast du gleich gelernt. Alles, was wir essen, uns macht
Weitere Kostenlose Bücher