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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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gesund.«
    Emmas Lerneifer schien hier wirklich keinen Anstoß zu erregen. Sie fragte Carl: »Kann ich den Frauen zusehen? Oder brauchst du mich?«
    »Ich bin nicht dein Leiter, sondern nur dein Kollege. Schon vergessen? Ich werde dir also keine Anweisungen geben.« Sein Blick war unmöglich zu deuten. »Außerdem möchte Birwain mir eine besonders wohlschmeckende Frucht zeigen. Sie soll sehr nahrhaft sein und helfen, Krankheiten zu verhüten.«
    »Da soll noch einer sagen, wir seien nicht eifrig bei der Arbeit.«
    Emma wagte ein Lächeln.
    Statt einer Antwort legte Carl den Kopf schief und sah Emma an. Eine schwarze Locke fiel ihm in die Stirn, und er strich sie nachlässig zurück. Diese mittlerweile vertraute Geste löste in Emma ein warmes Gefühl der Verbundenheit aus.
    Mit belegter Stimme sagte sie: »Wir werden ein gutes Forscherteam, oder?«
    »Das werden wir«, sagte er. Sanft fügte er hinzu: »Und hoffentlich mehr als das – jedenfalls irgendwann einmal. Trotz Ludwig und trotz Elizabeth.«
    Nun weiß ich also auch ihren Namen, dachte Emma benommen, während Carl mit festen Schritten zurück zu Birwain ging.
    Dass man aus Farnwurzeln Brot backen konnte, war für Emma eine Überraschung, und noch überraschter war sie, als sie feststellte, dass dieses Brot sogar schmeckte. Die Frauen hatten die Farnwurzeln im Feuer geröstet und dann auf einen großen, glatten Stein gelegt. Mit einem kleineren Stein hatten sie die gerösteten Wurzeln zerstoßen und aus dem so gewonnenen Mehl Brot gebacken.
    Als Emma das warme Gebäck kostete und begeistert lobte, sagte Purlimil großzügig: »Euer Mehl aber auch gut. Nächstes Mal backen wir Kuchen.«
    Offensichtlich hatten alle im Clan Mr. Hays Tauschgüter noch in bester Erinnerung.
    Während Emma die Frauen beim Zubereiten der Speisen beobachtete, erzählte Purlimil ihr munter von ihrem Clan.
    So erfuhr Emma, dass Birwain, der Schamane, Purlimils Großvater war. Das weitere Verwandtschaftssystem war allerdings so kompliziert, dass Emma bereits nach wenigen Minuten des Zuhörens der Kopf schwirrte. Wenn Purlimil zum Beispiel von ihrer Mutter erzählte, meinte sie damit nicht immer dieselbe Frau! Auch mehr als einen Vater schien es zu geben. Oder nannte Purlimil einfach alle Brüder ihres Vaters so? Aber wenn dies zutraf – wer waren dann die Männer, die sie als Onkel bezeichnete?
    Emma kapitulierte und beruhigte sich dann damit, dass sie ja nicht gleich in den ersten Tagen alles begreifen musste. Immerhin hatte sie sich einen Überblick über die Größe des Clans verschafft: Er zählte rund drei Dutzend Mitglieder. Sie wusste nun auch, dass der Clan schon seit Längerem hier am Bach lebte, aber keineswegs vorhatte, für immer zu bleiben. Auf Emmas Frage, ob Purlimil nicht das Bedürfnis habe, einen bestimmten Platz ihr Zuhause zu nennen, reagierte diese mit einem Stirnrunzeln.
    »Wald ist doch Teil von uns«, sagte sie verständnislos. »Hier bin ich Arm von Wald, und wenn ich woanders bin, bin ich Bein von Wald. Warum soll Arm besser sein als Bein?«
    Darauf wusste Emma nichts zu sagen.
    Sie ärgerte sich ein wenig, dass sie kein Papier mitgenommen hatte. Denn am liebsten hätte sie alles, was sie nicht verstand, all ihre Fragen und Purlimils rätselhafte Antworten, all ihre Beobachtungen und Ahnungen aufgeschrieben und mit Anmerkungen versehen.
    In ihrem Bauch begann es zu kribbeln. Wie vielgestaltig die Welt war! Wie aufregend all das Neue! Und wie wenig sie wusste … aber wie viel sie noch würde lernen können!
    Spontan faltete sie die Hände und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie tatsächlich eine Anstellung als Forscherin erhalten würde. Sie merkte zwar selbst, dass sie noch viel falsch machte, dass sie nicht die richtigen Fragen stellte und nicht systematisch genug vorging – aber wofür hatte sie schließlich ihren Kopf, wenn nicht zum Lernen?
    Unwillkürlich sah sie hinüber zu Carl, der in einiger Entfernung mit Birwain zusammenstand und eine Frucht kostete. Auch wenn sie stets darauf bestand, Carls Kollegin zu sein, so war ihr doch klar, dass er der Einzige war, der ihr beibringen konnte, was sie als Forscherin wissen und können musste. Ob er wohl dazu bereit sein würde?
    Oder hatte sie sich mit ihrem sturen Beharren auf Eigenständigkeit die Möglichkeit verbaut, ihn als Lehrer zu gewinnen?
    Später hockten sie zusammen mit den Eingeborenen auf dem Boden zwischen den Hütten, und Emma und Carl probierten von allem, was sie zubereitet

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