Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
mächtigen, meterhohen Wedeln blieben sie stehen. Purlimil rupfte ein Stück von der Pflanze ab und rieb damit über die pochende Stelle auf Emmas Arm. Offensichtlich enthielt der Farnwedel irgendeinen Saft, denn Emma fühlte sich augenblicklich, als habe ihr Arm Feuer gefangen. Sie stöhnte gequält.
    Doch dann ebbte der Schmerz ab. Die Schwellung ging so rasch zurück, dass Emma ihren Augen nicht trauen mochte. Das Pochen in ihrem Arm wurde schwächer und hörte schließlich ganz auf, und kurze Zeit später war von der Bissstelle nichts mehr zu sehen als eine leichte Rötung.
    »Morgen ganz weg«, sagte Purlimil zufrieden.
    Als ihr Blick auf Emmas riesige Augen und den offenen Mund fiel, lachte sie hell auf. »Ihr Weißen so viel Angst! Medizin ist doch hier, überall. Die Ahnen haben uns gegeben.«
    »Ach, wirklich?«, fragte Emma schwach. Etwas Intelligenteres fiel ihr nicht ein. Sie war einfach nur froh, dem Tode entronnen zu sein.
    »Wirklich«, sagte Purlimil nachsichtig. »Und, hast du noch Frage?«
    Eilig schüttelte Emma den Kopf. Für heute, fand sie, hatte sie der Wissenschaft intensiv genug gedient.
    Wider Erwarten hatte sie den Schock, den Purlimils anschauliche Darstellung des Prinzips Gift und Gegengift ihr versetzt hatte, bald überwunden. Als sie am Abend mit Carl durch die blaugrüne Dämmerung zum Lager zurückkehrte, fühlte sie sich sogar ein wenig stolz. Carl hatte ihr einen Auftrag erteilt, und sie hatte es geschafft, ihn noch am selben Tag auszuführen.
    Nun konnte sie Carl ihre Ergebnisse präsentieren, und er würde sehen, dass sie als Forscherin etwas taugte!
    Ihr Hochgefühl erhielt einen Dämpfer, als sie beim Abendessen Oskar wiedersah. Sie brachte es kaum fertig, ihm einen guten Abend zu wünschen, und in die Augen schauen konnte sie ihm schon gar nicht: Stets musste sie an die »ehelichen Laken« denken. Widerlich.
    Carl ignorierte ihn beharrlich. Da Emma es ihm nicht gestattet hatte, Oskar eine Entschuldigung abzufordern, sprach er nun eben überhaupt nicht mehr mit ihm. Die eisige Stimmung am Tisch erreichte ihren Tiefpunkt, als Carl seinen Forschern von den Eingeborenen erzählte und betonte, wie viel er bereits von ihnen über die Pflanzen des Regenwaldes gelernt hatte.
    »Sie sollten einmal mitkommen«, sagte er zu Krüger und Pagel.
    »Besten Dank, aber nein. Bin misstrauisch den Kerlen gegenüber, kann nichts dagegen machen«, lehnte Pagel ab. »Gegen die Weiber hätt ich nichts einzuwenden, aber die Männer … nein.«
    Oskar grinste. »Ja, so eine fette schwarze Gin käme mir auch recht. Vielleicht sollten wir doch mal mit zum Lager gehen. Ein weißes Weib kriegt man hier ja nicht.«
    Emma erstarrte. Fing Oskar etwa schon wieder mit seinen Provokationen an? Wollte er sich von nun an jeden Abend mit Carl schlagen? Das waren ja schöne Aussichten.
    »Sie, Crusius, hatte ich nicht gefragt«, sagte Carl. »Wenn Sie Wert darauf legen, weiter bei uns zu bleiben, rate ich Ihnen dringend, Ihr Mundwerk endlich im Zaum zu halten. Sonst muss ich Sie leider bitten, uns zu verlassen.« Der Blick, den er Oskar zuwarf, war kalt wie blaues Eis. »Zur Not auch sofort. Ich bin sicher, die Regierung wird meine Gründe nachvollziehen können.«
    Oskars Grinsen wich einer hasserfüllten Grimasse, als ihm aufging, dass Carl als Forschungsleiter am längeren Hebel saß. Zwischen zusammengepressten Zähnen quetschte er hervor: »Verstanden.«
    Dann sagte er für den Rest des Abendessens überhaupt nichts mehr.
    Auch Emma hielt sich mit Beiträgen zur allgemeinen Unterhaltung zurück. Solange Oskar mit am Tisch saß, fühlte sie sich beklommen und gehemmt, und sie fragte sich bang, ob sich dieser Zustand in der nächsten Zeit wohl wieder ändern würde. Immerhin war sie nun fester denn je entschlossen, die Arbeit für Oskar in derselben Minute niederzulegen, in der sie eine positive Nachricht von der Kolonialregierung bekommen würde. Bis dahin konnte sie nur hoffen, dass Oskar sich freiwillig von ihr fernhielt.
    Sie musste sich eingestehen, dass sie sich, seit sie am Vorabend einen Einblick in seine Fantasien bekommen hatte, in seiner Anwesenheit äußerst unwohl fühlte. Beim bloßen Gedanken daran, mit Oskar allein im Zeichenzimmer zu sein, lief es Emma kalt über den Rücken.

27
    W ar es die durch Oskar ausgelöste Furcht, war es der Einfluss der Baumgeister, waren es Reste des Ameisengiftes? Emma konnte den Grund für ihre Qual nicht benennen. Sie spürte nur, dass die Erinnerung sie zu

Weitere Kostenlose Bücher